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Als ich dieses Interview für die fantastische  Zeitschrift Galore führte, war die Welt eine ganz andere. Großbritannien war noch Vollmitglied der Europäischen Union, und die Vorstellung, dass das Königreich dieser Union jemals den Rücken zukehren könnte schien ähnlich wahrscheinlich wie ein bemannter Raumflug in den Andromeda Nebel im Jahre 2022. Russland schien auf dem Weg in eine Demokratie westlichen Musters und galt gar als potenzielles Mitglied sowohl der NATO als auch der EU zu einem späteren Zeitpunkt. Trump makelte Immobilien und feuerte Bewerber in einer erfogreichen TV-Serie (The Apprentice). Die einzige Gefahr für den Weltfrieden schien Al Quaida zu sein, und Deutschland rüstete weiter ab. Derweil wollte in Manchester ein ehemaliger Soldat unbedingt ins Weltall. Mit eigener Rakete. Das allein war schon eine Geschichte wert. Seitdem hat sich einiges getan, und die rasanten Veränderungen der letzten 15 Jahre sind auch an Starchaser nicht spurlos vorübergegangen. Die Firma lebt noch, Steve Bennett bastelt  auf beiden Seiten des Atlantiks weiter an Raketen, aber Wettbewerber wie Elon Musk, Jeff Bezos oder Richard Branson haben ihn längst abgehängt. Abschreiben sollte man den Rocket Man allerdings noch lange nicht. Viel Spaß bei diesem Blick zurück in die Vergangenheit:

1.12.2006, Hyde, Cheshire. Die Zukunft der kommerziellen britischen Raumfahrt haust in einem trostlosen Industrieviertel am Rande von Greater Manchester. Wellblech-Lagerhallen, Backstein-Fabrikbauten und halb leere Parkplätze bestimmen das Bild. Aus dem Tor einer der Lagerhallen lugt die Spitze einer Rakete hervor und kennzeichnet so eindeutig das britische Hauptquartier von Starchaser Ltd., der Firma von Rocket-Man Steve Bennett. Der lädt dann in sein kaltes Büro und bietet zunächst einmal, ganz britischer Gentleman und perfekter Gastgeber, eine Tasse Tee an. Die prächtig tätowierten muskulösen Arme lassen allerdings eher auf Biker denn auf Gentleman schließen. Wie auch das schwere japanische Motorrad, das unten in der Halle zwischen Raketen-Triebwerken abgestellt ist.

Mr. Bennett, was fällt Ihnen zu Paderborn ein?
Steve Bennett
: Ein sehr religiöses Städtchen, ein paar gute Bars, ein paar annehmbare Clubs. Ich war einige Jahre in der Army und unter anderem auch in Paderborn stationiert, bevor ich dann in den Falkland-Krieg abkommandiert wurde.

Eine Raketeneinheit in Paderborn?
Steve Bennett: Nein, nein, ich hatte da den Rang eines Lance Corporals in der Ordnance Squad und war als Petroleum Operator und Labortechniker dafür verantwortlich, dass die Armee mobil blieb. Die britische Armee hatte in Deutschland ein Netz von Treibstoff-Pipelines aufgebaut, und mein Job war es, den Stoff regelmäßig zu testen und zu analysieren. In der ganzen britischen Armee gab’s damals gerade um die zwanzig solcher Petroleum-Operatoren.

Ist für die Tätowierungen ebenfalls die Armee verantwortlich?
Steve Bennett: Nicht die Armee selbst, aber ja, ich ich habe mich in dieser Zeit tätowieren lassen.

Was wollten Sie eigentlich als kleiner Junge werden? Cowboy, Feuerwehrmann oder Pirat?

Steve Bennett: Nein, es war mir schon früh klar, dass ich was mit Raketen machen wollte, mit Weltraum. Schuld waren Neil Armstrong und Gerry Anderson. Mein Interesse an Raketen, an der Weltraumfahrt im Allgemeinen, begann mit Armstrongs Landung auf dem Mond. Da muss ich um die sechs Jahre alt gewesen sein. Gerry Andersons Fernsehserie Thunderbirds besorgte dann den Rest. Wie Millionen andere britische Kinder war ich restlos fasziniert von Thunderbirds. Nur dass bei mir die Faszination dann nie wieder nachgelassen hat.

Zunächst einmal haben Sie sich allerdings bei ihrer Mutter als Feuerteufel unbeliebt gemacht. Sie musste mehr als einmal Brände im Garten löschen.

Steve Bennett: Ich war halt fasziniert von allem, was mit Feuer, Lärm und Explosionen zu tun hatte. Und als ich dann meinen ersten Chemie-Baukasten bekam, gab’s kein Halten mehr. Bald begann ich auch mit verschiedenen Raketentreibstoffen zu experimentieren. Mit Dreizehn habe ich dann schon richtige Raketen gebastelt und Treibstoff gebraut. Die Raketen waren etliche Zentimeter lang und sind bis zu 100 Meter hoch geflogen. Das war bereits richtige Raketen-Wissenschaft. Nach und nach wurden die Raketen immer größer, flogen immer höher und wurden immer teurer. Da hatte es mich endgültig gepackt. 1992 habe ich mich schließlich entschieden, das Hobby zum Beruf zu machen. Zu meiner Frau sagte ich: „Ich werde meinen Job kündigen und in Zukunft meine Arbeitszeit ausschließlich diesem Projekt widmen.“ Sie antwortete: „Aha, und was genau hast du vor? Was willst du erreichen?“ „Ich will eine Rakete bauen“, war meine Antwort, „die groß genug ist mich ins All zu tragen.“

Und sie hat nicht umgehend die Scheidung eingereicht?

Steve Bennett: Erstaunlicherweise nicht. Sie sagte nur: „Okay, wenn du meinst. Ich bin dabei.“ Meinen Job als Labortechniker habe ich dann doch nicht sofort aufgegeben, sondern noch bis 1996 beibehalten. Bereits 1995 hatte sich abgezeichnet, dass das Unternehmen allmählich Ausmaße anzunehmen begann, die einen Nebenjob nicht mehr zuließen. Bald wurde außerdem klar, dass ich alleine überfordert war. Ich konnte ein Triebwerk allein bauen, aber wenn die Rakete zusammengesetzt und transportiert werden musste, dann brauchte ich Hilfe. Und natürlich beim Start und bei Triebwerktests. Das Einmann-Unternehmen wurde zum Team.

Und sie wurden Uni-Dozent.

Steve Bennett: Richtig, eine der Universitäten von Greater Manchester, die University of Salford, hatte einen Kurs in Rocket-Science eingerichtet und groß beworben. Das Echo hatte den Chef der Fakultät für Physik dann allerdings kalt erwischt. Das Interesse an dem Kurs war so groß, dass er in leichte Panik geriet, denn es fehlte ihm an Raketenspezialisten als Dozenten. Irgendwer machte ihn in dieser Situation auf mich und meine Raketentests aufmerksam, und er rief mich an. Für mich war das Angebot ein kleines Geschenk des Himmels. Ich konnte meine Raketen aus der Garage holen und in der Universität unterbringen, bekam dort ein eigenes Büro, ein eigenes Laboratorium, konnte jederzeit auf die Hilfe von eifrigen Studenten zurückgreifen und wurde dafür auch noch bezahlt. In ein ordentliches Unternehmen, eine Limited (entspricht der deutschen GmbH), konnte ich Starchaser schließlich 1998 umwandeln. Und inzwischen haben wir auch einen amerikanischen Zweig, Starchaser US in New Mexico.

Warum ist es so schwierig, geeignete Startplätze zu finden? Sie sind ja mittlerweile mit Rakete im Gepäck um die halbe Welt gereist.

Steve Bennett: Nur die halbe Welt? Wir sind kreuz und quer über den Globus gezogen. In Großbritannien können wir keine Raketen mehr abschießen, weil hier der Luftraum zu überfüllt ist. Die Gefahr versehentlich eine Linienmaschine abzuschießen, ist da sehr real. Außerdem gibt’s in Großbritannien nicht genügend freie Fläche, um die Rakete wieder sicher runter zu bringen. Unsere Raketen sind schlicht zu groß geworden. Einer der letzten Starts war der der Nova Rakete am 22.11.2001 von Morecombe Bay aus. Das war zugleich die größte Rakete, die je von der britischen Hauptinsel aus gestartet ist. Seitdem waren wirv4vchbme unter anderem in Australien und jetzt schließlich in New Mexico. Australien hatte eigentlich perfekte Bedingungen zu bieten.

Warum sind Sie dann nicht dort geblieben?

Steve Bennett: Wir sind von Woomera aus gestartet, das ist ein riesiger Raketenbahnhof, den vorher schon die Briten, die Japaner und etliche andere Nationen genutzt hatten. Das Gelände ist wunderbar. Das Problem mit Woomera ist nur, dass das wirklich ganz weit draußen ist. Die Anreise ist ein logistischer Alptraum, so dass wir uns am Ende doch wieder nach was anderem umgesehen haben.

In New Mexico ist alles besser?

Photo by Bill Jelen on Unsplash

Steve Bennett: In vielerlei Hinsicht ja. Obwohl New Mexico der viertgrößte Staat der USA ist, ist er nur sehr dünn besiedelt. Die derzeitige Einwohnerzahl beträgt gerade mal zwei Millionen. Das Wetter ist fantastisch, 360 Sonnentage pro Jahr. Vor allem aber gibt’s in New Mexico die White Sands Missile Range, die älteste Raketenstart-Anlage der USA und Geburtstort des amerikanischen Weltraumprogrammes. Von hier aus wurden nach dem Zweiten Weltkrieg die erbeuteten V2 abgeschossen. Der zivile Flugverkehr wird seit über fünfzig Jahren großräumig um White Sands herumgeleitet, und die Verkehrsanbindung ist exzellent. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Vorteil des Areals ist seine geographische Lage, beinahe anderthalb Kilometer über dem Meeresboden. Das macht die Strecke ins All eineinhalb Kilometer kürzer. Das mag nicht nach viel klingen, aber wenn man zum Beispiel von Florida aus startet, dann muss man diese eineinhalb Kilometer durch dichte Atmosphäre erstmal überwinden – und zahlt dafür einen gehörigen Preis in zusätzlichem Treibstoff und deutlich erhöhtem Startgewicht. Und das ist immer noch nicht alles. Was am Ende ganz besonders für New Mexico spricht, ist, dass der Staat die kommerzielle Raumfahrt als schnell wachsende Zukunftsindustrie ansieht, deren wirtschaftliche Bedeutung für New Mexico enorm sein wird. Deshalb hat der Staat in Las Cruces, ganz in der Nähe von White Sands, einen großzügigen Spaceport aufgebaut und fördert gezielt die Ansiedlung von kommerziellen Raumfahrtunternehmen wie Starchaser US.

Weites, offenes Land, kaum besiedelt, garantierter Sonnenschein, wenig Verkehr auf den Free- und Highways – das klingt nicht nur nach einem Paradies für Raketenbauer, sondern auch nach einem für Motorrad-Freaks. Nehmen Sie Ihre Maschine öfter mal mit nach drüben?

Steve Bennett: Nein, die bleibt schön hier. Aber ich leihe mir gelegentlich das Motorrad eines Freundes aus und fahre dann einfach drauflos. Allerdings machen mir amerikanische Autofahrer Angst.

Warum das?

Steve Bennett: Die haben die unangenehme Eigenschaft, mit ihren Pickup-Trucks so dicht aufzufahren, dass sie einen fast berühren. Und auch beim Überholen achten sie nur selten auf Abstand.

Weltraumtourismus sei ein gigantischer Wachstumsmarkt, sagen Sie. Auf diesem Markt konkurriert Steve Bennett, der frühere Labor-Techniker und jetzige Uni-Dozent mit seiner kleinen Firma Starchaser nicht nur mit den Dinosauriern NASA oder ESA, sondern auch mit milliardenschweren Geschäftsleuten wie Richard Branson, dem Microsoft-Mitgründer Paul Allen oder John Carmack, dem Vater der Spiele Doom und Quake. Ist das Rennen da nicht von vornherein verloren?

Steve Bennett: Richard Branson mag noch so laut verkünden, dass Virgin Galactic groß ins Weltraumtourismusgeschäft einsteigen wird, es ändert nichts daran, dass er im Moment nicht einmal eine Rakete hat. Allerdings verhandelt seine Firma wohl mit Scaled Composite, deren SpaceShipOne den mit zehn Millionen Dollar dotierten Anahri X Prize gewonnen hat. Bransons baldiger Einstieg ins Weltraum-Geschäft ist also noch durchaus möglich; und wenn er einsteigt, dann hat er sicherlich ausreichend Ressourcen, um das Geschäft auf Dauer zu dominieren. Andere reden nur und haben gar nichts. Im Moment wird viel geredet, aber nur wenige sind tatsächlich schon so weit. Der amerikanische Konstrukteur Burt Rutan und sein Team gehören sicherlich zu den letzteren. Er gibt aber eine Menge Geld aus. Es sieht so aus, als kreiere er ein Sportauto, wo eigentlich ein Volkswagen gebraucht wird. Auch Carmack und Paul Allen machen gute Fortschritte. Der Rest, nun ja, man wird sehen. Was mich wirklich stört, sind diese Firmen, die schon jetzt großspurig auftreten und Trips in den All verkaufen, als sei das seit Jahren ihr tägliches Brot. Diese Firmen beschreiben ihre Pläne und Aktivitäten in der Gegenwartsform: Wir fliegen dreimal täglich in die Stratosphäre, unsere Raketen haben die und die Schubkraft, wir transportieren pro Tag sechs Touristen… und so fort. Wenn man dann mal genauer hinschaut, stellt man fest, dass diese Firmen nicht einmal eine Rakete, geschweige denn einen Startplatz oder eine Raumkapsel haben.

Wo steht Starchaser denn zur Zeit?

Steve Bennett: Starchaser ist ein anderer Fall. Wir verfolgen eine Strategie der beharrlichen kleinen Schritte. Jede Entwicklung wird zunächst ausgiebig getestet, bevor wir mit der nächsten Stufe weiter machen. Unsere Arbeit ist daher grundsolide, und an Erfahrung und technischer Kompetenz sind wir den meisten anderen Unternehmen inzwischen überlegen.

Und finanziell?

Steve Bennett: Wir hatten nie einen potenten Geldgeber im Rücken und mussten daher von Anfang an mit jedem Pfennig rechnen. Wir haben schon sehr früh ein Geschäftsmodell entwickelt, das uns Einnahmen sichert. In den vergangenen Jahren hat Starchaser rund drei bis vier Millionen Pfund ( 4,5 – 6 Millionen Euro) eingenommen. Ein großer Teil dieser Gelder wurde von Sponsoren zur Verfügung gestellt, andere Einnahmequellen sind unser Merchandise, der Club und vor allem das Outreach-Programm. Voraussichtlich noch in diesem Jahr wird Starchaser außerdem an die Börse gehen. Der Hauptgeschäftszweig wird in Zukunft jedoch der Raum-Tourismus sein. Da tut sich ein gigantischer Markt auf.

Wenn Sie mit einer Rakete im Schlepptau durch enge Innenstadt-Straßen kurven und Verkehrschaos verursachen, ist das Teil des Outreach-Programms oder schlichte Lust am Aufruhr?

Steve Bennett: Das ist Teil des Outreach-Programms. Wir gehen mit den Raketen in Schulen. Wir zeigen den Schülern, was es mit Raketen und dem Weltraum auf sich hat und bauen mit ihnen in Workshops Raketen und starten diese auch. Das Ziel ist es, in den Schülern Interesse an Physik, Raketentechnologie und an Weltraumforschung zu wecken. Bisher beschränkt sich das Schulprogramm auf die britischen Inseln, aber wir würden es gern ausdehnen, auch nach Deutschland. Bei der Gelegenheit käme ich dann vielleicht auch mal wieder nach Paderborn. Eine andere Outreach-Aktivität ist unsere enge Kooperation mit dem Spaceport in Liverpool. Aber unser wichtigstes Betätigungsfeld ist für die Zukunft eindeutig der Weltraumtourismus.

Was ist eigentlich Ihre Definition von Weltraum-Tourismus?

Steve Bennett: Das ist eine interessante Frage. Es gibt sicherlich mehrere Aktivitäten und Angebote, auf die der Begriff Weltraumtourismus zutrifft. Irdischer Weltraumtourismus, okay, das ist eigentlich ein Widerspruch in sich selbst, wäre zum Beispiel der Besuch von Space Parks wie dem Spaceport in Liverpool oder dem Kennedy Space Park. Millionen von Menschen machen von diesen Angeboten bereits Gebrauch; sie buchen Touren, kaufen Merchandise und lassen sich das Vergnügen locker 100 Dollar pro Kopf kosten. Dann gibt’s Space Rides, in denen man für einige Sekunden nahezu schwerelos ist. Manche Achterbahnen bieten diesen Effekt, aber auch andere, oft speziell für diesen Zweck designete Amüsierpark-Maschinerie. Die nächste Stufe sind Flüge, in deren Verlauf man für einige Sekunden Schwerelosigkeit verspüren kann. Oder jene Astronauten-Pakete, in denen man die typischen Phasen des Astronauten-Trainings mitmachen kann. Schließlich erschwingliche Raketenflüge in eine Höhe von 100 km und darüber, die Starchaser anbieten wird. Wir bringen unsere Passagiere sicher rauf und wieder runter, das ist das kurzfristige Ziel. Ganz oben in der Liste, und nur für sehr wenige erschwinglich, finden sich dann Flüge in die Umlaufbahn und Ausflüge zur Internationalen Raumstation, die im Moment nur die Russen im Programm haben und die rund 20 Millionen Dollar pro Person kosten. Das sind die Gegenwart und die nahe Zukunft des Weltraumtourismus. Wie immer man Weltraumtourismus am Ende auch definiert, er findet bereits statt, und der Markt wächst rasant. In unserem Segment gehören wir derzeit zu den Firmen, die ganz vorne mitspielen.

Was war Ihrer Meinung nach der größte Fehler, den die Regierung des konservativen Premiers Edward Heath gemacht hat?

Steve Bennett: Die Einstellung des britischen Raumfahrtprogrammes im Jahre 1971. Seitdem ist Großbritannien nur noch Zuschauer und beteiligt sich höchstens mal an einzelnen Projekten der Europäischen Raumfahrtagentur ESA. Im Vergleich zu anderen EU-Staaten wie Frankreich, Deutschland oder Italien, die massiv in Weltraumforschung und Weltraumtechnologie investieren, gerät Großbritannien dadurch langfristig auch technologisch ins Hintertreffen. Wenn man sieht, welch gewaltige Anstrengungen Amerika, Russland, China, Japan oder Indien in der Weltraumforschung unternehmen, dann wird diese britische Zurückhaltung noch weniger verständlich.

Fördert der britische Staat denn wenigstens private Raumfahrtunternehmen wie das Ihre?

Steve Bennett: Von der britischen Regierung kommt gar nichts. In Amerika sieht die Sache anders aus. Starchaser US wird vom Staate New Mexico sehr gut unterstützt. Das ist übrigens auch etwas, was wir mit unserem Outreach-Programm zu erreichen hoffen: Manche von den Schülern, die durch das Programm für Raketentechnik und Weltraumforschung begeistert werden, werden vielleicht irgendwann in ihrem späteren Leben Politiker oder Beamte, die über die Verteilung von Geldern für Forschungsvorhaben zu entscheiden haben.
Hat das Privatunternehmen Starchaser Verbindungen, egal welcher Art, zu staatlichen und überstaatlichen Organisationen wie der ESA oder der NASA?
Steve Bennett: Oh ja. ESA zum Beispiel hat uns offiziell als Dientsleister und als Forschungspartner anerkannt. Mit NASA sieht die Sache ähnlich aus. Da Starchaser US eine amerikanische Firma ist, haben wir Zugang zu vielen NASA-Services und zu technischen Unterlagen, die nicht-amerikanischen Firmen verwehrt bleiben. Und auch mit den Russen arbeiten wir punktuell zusammen.

Welchen der Väter der Raumfahrt würden Sie als Ihr Idol ansehen?

Steve Bennett: Idol ist vielleicht ein zu großes Wort. Aber einigen von denen fühle ich mich sicherlich geistesverwandt. So wie Robert Goddard aus Massachusetts. Vor allem aber Wernher von Braun, der unzweifelhaft einer meiner Helden ist. Wenn ich deren Biographien lese, dann ist mir oft, als lese ich über mich selbst. Ich kann nachfühlen und verstehen, was sie angetrieben hat, ihre Gedankenwelt, Vorstellungen und Träume. Unsere eigene Arbeit beruht zudem ganz erheblich auf den Werken von Goddard und von Wernher von Braun. Wir erfinden schließlich nicht das Rad neu.

Wernher von Braun ist allerdings auch ein Beispiel dafür, was passieren kann, wenn sich Wissenschaftler und Visionäre in Verfolgung ihrer Träume an ein unmenschliches Regime verkaufen. Zigtausende von Sklavenarbeitern sind bei der Konstruktion seiner Raketen umgekommen. Würden Sie Ihre Dienste dem Militär zur Verfügung stellen, wenn das britische Verteidigungsministerium auf Sie zukäme?

Steve Bennett: Ich war Soldat, habe also kein Problem mit dem Militär. Aber bisher ist es zu keiner Zusammenarbeit gekommen, und das Militär hat auch kein Interesse an einer solchen angedeutet.

Was fasziniert Sie bis heute so an Raketen und am Weltraum?

Steve Bennett: Der Weltraum ist das große Unbekannte. Auf der Erde haben wir so ziemlich alles erforscht, die höchsten Berge, die tiefsten Seen, die Pole und die Wüsten. Ich liebe es, Unbekanntes zu erforschen, Pionier zu sein. Ich will hinaus ins All, auf den Mond, den Mars, ich will mit eigenen Augen sehen, was da ist.

Sie sind nicht zufällig auch ein Star Trek-Fan?

Steve Bennett: Absolut! Nicht nur, weil Star Trek ein einziger, endloser Forschungs-Trip ist, sondern auch, weil Star Trek so viele technische Neuerungen, die uns heute selbstverständlich erscheinen, schon vor zehn, zwanzig Jahren vorweg genommen hat. Schauen Sie sich nur mal mein Mobiltelefon an. Das Design ist fast identisch mit dem der Enterprise-Kommunikatoren. Ich klappe es auf, und es ist bereit. Es ist weit mehr, als nur ein Telefon. Ich kann damit Berechnungen durchführen, kann Daten und Adressen speichern, Ton aufzeichnen und fotografieren. Ich kann mich direkt mit einem Computer oder dem Internet verbinden. Und das alles mit einem vergleichsweise winzigen Gerät. Noch vor fünfzehn Jahren wäre das wüsteste Science Fiction gewesen.

Nur der schnelle Flug in andere Sternsysteme oder gar Galaxien wird wohl auf immer Science Fiction bleiben. Schneller als das Licht geht nun mal nicht.

Steve Bennett: Wer sagt denn das? Okay, die Lichtgeschwindigkeit ist die Obergrenze. Aber es gibt verschiedene Wege von A nach B. Wenn man das Universum mit einem Blatt Papier oder einer Membran vergleicht, dann ist der Weg von A nach B endlos lang, wenn man immer schön auf der Oberfläche bleibt. Wenn man aber das Blatt Papier so faltet, dass A und B direkt übereinanderliegen und dann eine Nadel durchsticht, dann ist der Weg von A nach B kaum der Rede wert. Auf diesem Prinzip der Raumfaltung basiert der Warp-Antrieb der Enterprise. Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir eines Tages eine Technologie entwickeln, die uns Ähnliches erlaubt.

Der Wissenschaftler Stephen Hawking hat vor einigen Tagen gesagt, dass wir dringlichst damit beginnen müssten, Kolonien im Weltraum zu errichten. Andernfalls sei das Überleben der Menschheit ernsthaft gefährdet. Er muss Ihnen aus der Seele gesprochen haben.

Steve Bennett: Hat er in der Tat. Ich bin ebenfalls der Überzeugung, dass die Zukunft der Menschheit im Weltall liegt. Die Gefahr, dass wir uns hier auf der Erde selbst auslöschen, ist sehr real. Dazu braucht’s nicht einmal einen Krieg. Es ist vielmehr eine Frage der Ressourcen und wie wir mit ihnen umgehen. Hier auf der Erde gehen sie unwiderruflich zur Neige. Ersetzen können wir manche nur noch von außerhalb, durch die Erschließung und Ausbeutung anderer Planeten.

Apropos Ressourcen: Starchaser pflanzt jedes Jahr hundert Bäume, um den Schaden wiedergutzumachen, den die Firma an der Umwelt anrichtet. Ist das nicht ein bisschen bigott?

Steve Bennett: Nicht wirklich. Der eigentliche Schaden wird von unseren Bodenfahrzeugen angerichtet, dem Sattelschlepper und den PKWs. Raketentreibstoff hingegen ist erstaunlich sauber. Wir arbeiten mit Zweikomponenten-Flüssigtreibstoffen, der wichtigste Bestandteil ist Hydrogen, der andere Kerosin. Der Schadstoffaustoß ist minimal. Unsere Raketen sind weit umweltfreundlicher als Flugzeuge oder PKWs.

Wollen Sie selbst noch zu anderen Planeten fliegen? Und zu welchen?

Steve Bennett: Ich will unbedingt zu anderen Planeten reisen! Ich möchte zum Mond und zum Mars. Mein Wunschziel jedoch ist der Jupitermond Europa. Er scheint der erdähnlichste Planet in unserem Sonnensystem zu sein. Viele Anzeichen sprechen sogar dafür, dass seine Oberfläche von Wasser bedeckt ist, auf dem eine dicke Treibeisschicht schwimmt. Ein hochinteressanter Planet also!

Kann ich meine Nachos gefahrlos in Rocket Fuel tauchen?

Steve Bennett: Sicher. Sie sollten aber ein Glas Wasser in Reichweite haben, denn das Zeug ist höllisch scharf. Hergestellt wird die Chili-Sauce in unserem amerikanischen Standort Las Cruces, und zwar ausschließlich aus natürlichen Zutaten. Als wir die Sauce zum ersten Mal in einem örtlichen Lokal probiert hatte, keuchte einer der Techniker nach einem längeren Hustenanfall: „Mein Gott, das Zeug ist Rocket Fuel.“ Womit es dann seinen Namen weghatte, unter dem es seitdem über unseren Merchandise Shop vertrieben wird.

Waren Sie eigentlich jemals in der Area 51?

Steve Bennett: Nein, aber in Roswell, das gleich um die Ecke von Las Cruces ist.

Aha, irgendwelche interessanten außerirdischen Technologien dort gefunden?

Steve Bennett: Nein, da muss jemand schneller gewesen sein.

Eine letzte Frage noch: „Born To Be Wild“ von Steppenwolf ist weltweit zur Bikerhymne geworden. Welcher Song hat ihrer Meinung nach das Zeug zur Raketenmann-Hymne?

Steve Bennett: Da gibt’s zwei Kandidaten. Erstens die Titelmelodie der von Gerry Anderson kreierten Fernsehserie Fireball XL 5. Und zweitens „Rocket Man“ von Elton John.

© 2007/2022 Edgar Klüsener
Erstveröffentlichung: Februar 2007, Galore

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