Nun also Amerika, Donald Trump ist der neue Präsident. Die Welle des rechten Populismus, die Großbritannien bereits aus der EU geschwemmt hat, hat den Bau-Mogul und Reality-TV-Star ins Weiße Haus gespült. Ein pathologischer Lügner, ein Mann den frühere enge Mitarbeiter freimütig als Psychopath beschreiben, ein Narziss, menschenverachtender Rassist und Chauvinist wird der mächtigste Mann der Welt. Einer, der sich vor allem durch Unkenntnis und Unberechenbarkeit auszeichnet, wird zum Herrn über das militärische Arsenal einer Supermacht, sein Finger auf dem Atomknopf kann die Welt auslöschen. Ein Alptraum ist wahr geworden. Aber wie ist Donald Trump überhaupt möglich geworden? Wie ist Brexit möglich geworden? Wie Viktor Orban, Marine Le Pen oder Frauke Petry?
Was zu der Kernfrage führt: Wer wählt hier extrem, und warum? Die Demographie der Extremwähler gleicht sich verblüffend in Großbritannien, den USA und in den kontinentaleuropäischen Ländern. Es sind in der Regel die über 40jährigen weißen Männer, die mehr als der Rest der Gesamtbevölkerung ansprechbar sind für populistische Parolen und Hassrhetorik. Sie leben bevorzugt außerhalb der Metropolen, sind in der Regel (aber eben nicht immer!) weniger gebildet und empfinden sich als die eigentlichen Verlierer der Globalisierung. Es sind die Wutbürger, die subjektiv ihre Existenz gefährdet sehen, die sich allein gelassen glauben von der Politik und den Eliten. Sie fühlen sich ausgegrenzt und sind es tatsächlich auch häufig. „Die da oben hören uns ja doch nicht zu“ ist eine

immer wieder gehörte Klage. Sie sehen und erfahren die dramatische Ungleichheit in einer Welt, in der einige wenige immer reicher werden und die überwältigende Mehrheit immer ärmer. Sie sind wütend, und diese Wut schlägt um in Hass und in die Bereitschaft zur hemmungslosen und unreflektierten Gewalt. In ihrer Bedrängnis wollen sie nichts wissen von der unentrinnbaren Komplexität einer vernetzten Welt, sie wollen die einfachen Antworten, die einfachen Lösungen, so falsch und unmöglich auch beide sein mögen. Sie sind die Masse hinter Nigel Farage, Donald Trump, Marine Le Pen, Viktor Orban, Geert Wilders und wohl bald auch hinter Frauke Petry. Sie sind empfänglich für Lügen und leere Versprechungen, für die abstrusesten Verschwörungstheorien und die plattesten Parolen, solange sie nur das Gefühl haben, dass sie ernst genommen werden, dass sich da tatsächlich jemand für sie einsetzt.
Populisten von Trump über Farage bis zu Le Pen verstehen das. Sie verstehen auch, dass Botschaften und Parolen simpel, leicht verständlich und prägnant sein müssen, dass sie durch ständige Wiederholungen verstärkt und unwiderstehlich werden. Sie wissen außerdem, dass es nur wenige sein dürfen. Sie haben verstanden, dass sie den verunsicherten, verängstigten und sich bedroht fühlenden Wut-Bürgern zweierlei offerieren müssen: klar umrissene Feindbilder und eine Identifizierungsmöglichkeit, ein starkes ‚Wir‘-Gefühl. Wer sich dann noch als jemand präsentiert, der ohne Scheu vor Tabubrüchen ausspricht, was „man ja wohl noch sagen dürfen muss“ und sich damit als unerschrockener Kämpfer gegen die Meinungsdiktatur der liberalen Eliten aufführt, der dem Volk aus dem Herzen spricht, der hat schon fast gewonnen. Das wusste schon Joseph Goebbels, und geändert hat sich daran bis heute nichts. So predigen sie denn Hass, machen leere Versprechungen, basteln Feindbilder und verbreiten Lügen und Verschwörungstheorien. Sie sammeln die alten weißen Männer aus den Provinzen Europas und Amerikas hinter sich. Wenn sie dann eine Wahl gewinnen, wird das gern als Volkes Wille dargestellt. Auffallend allerdings ist, das sowohl im Vereinigten Königreich als jetzt auch in den USA die Mehrheiten für die Wutbürger trotz Mobilisation aller Kräfte, trotz massenhaften Marsches zu den Wahlurnen, am Ende denkbar knapp sind. Nach reiner Stimmenzahl hat Hillary Clinton die Wahl gewonnen, nur die Eigenheiten des amerikanischen Wahlsystem hben Trump dann doch auf den Präsidentstuhl gehievt. Nun ist die amerikanische Nation fast genau in der Mitte gespalten. Ähnlich in Großbritannien, wo zudem ein Ernüchterungseffekt dafür sorgt, dass inzwischen ein relevanter Prozentsatz von Leave-Votern (nach einigen Erhebungen bis zu sechs Prozent) angibt, sie würden sich heute anders entscheiden. Anders als die Marktschreier in Deutschland immer wieder verkünden, sind die Populisten nicht das Volk, nicht einmal die Mehrheit.
Die Medien haben ihren Anteil an der Welle von rechtem und völkischem Populismus, die derzeit die westlichen Demokratien überschwemmt. Die von ausländischen Eigentümern dominierte Gossenpresse des Vereinigten Königreichs, die mittlerweile offen zum notfalls gewaltsamen Kampf gegen die liberalen Eliten und zur Einschränkung oder gar Abschaffung der Demokratie aufruft. Die Daily Mail, The Sun und die anderen Boulevardblätter machen seit Jahrzehnten Stimmung gegen die EU, gegen die Eliten, gegen Ausländer und Einwanderer. Ihren Besitzern wie dem amerikanischen Mogul Murdoch allerdings geht es um ganz etwas anderes: Um Macht und Einfluss, um die Möglichkeit möglichst unbehelligt ihre Meinungsmonopole auszubauen und der Politik die Richtung vorzugeben. Eliten ist hier übrigens ein seltsamer Begriff, im Vokabular der wütenden weißen Männer beschreibt er letztlich alle, die nicht ihrer Meinung sind.
Dabei sind die traditionellen Boulevardmedien, die in den USA das Phänomen Trump überhaupt erst erschaffen haben, längst selbst in die Defensive geraten. Die Radikalisierung, der Aufmarsch der Wutbürger findet seit Jahren vornehmlich in den Echokammern des Internets statt, in den Facebook-Gruppen und Twitter-Kanälen, in denen hemmungslos und unkontrolliert gehetzt und schwadroniert werden kann, in denen Fakten keine Rolle mehr spielen und Lügen und Verschwörungstheorien sauber recherchierten Journalismus komplett ersetzt haben. Die vielbeschworene Gegenöffentlichkeit, die Demokratisierung des öffentlichen Raums, sieht völlig anders aus als progressive Medientheoretiker sie sich noch bis vor kurzem erhofft hatten. Die rechtsextreme Internationale hat das Mobilisierungs- und Organisierungs-Potenzial der sozialen Medien als erste richtig eingeschätzt und nutzt es mittlerweile virtuos.
Für die Verführer, für die Farages, Trumps und Orbans wird ihr Erfolg irgendwann zum Problem werden. Die Hoffnungen und Erwartungen, die sie geweckt haben, müssen erfüllt werden, der Druck der Massen, die sie hinter sich geschart haben, wird sie entweder immer weiter in die Radikalität treiben oder sie irgendwann den eigenen Kopf kosten. Diese Mechanik, von Hannah Arendt und Elias Canetti erforscht und beschrieben, war auch Joseph Goebbels schon bekannt, der nichts so sehr fürchtete wie den Moment an dem die Bewegung zum Stillstand kommen und sich dann gegen ihre Führer richten könnte.
Die andere Hälfte des Volkes, Liberale, Demokraten und Kosmopoliten, haben dem neuen Populismus in Europa und in den USA nichts entgegen zu setzen. Der Versuch, die Irrationalität der Wut, der Furcht und der Frustration der Wutbürger m

it Fakten und Wahrheiten zu begegnen ist grandios gescheitert, in Großbritannien ebenso wie jetzt in den USA. Die Warnungen vor den Folgen falscher Wahlentscheidungen, die Drohung mit ökonomischer Misere, mit nationalem Ansehensverlust und mit Liebesentzug konnte nicht wirklich ernsthaft jene schrecken, die sich bereits an den Rand gedrängt und in ihrer Lebensart bedroht fühlten, sie schürten nur noch größeren Hass auf die echten und die imaginären liberalen Eliten. Dass die eigenen Anführer, hier der Börsenmakler Farage, da der milliardenschwere Großbürger Trump, selbst zu diesen Eliten gehören, wird dabei völlig ignoriert. Aus Wut, Hass, Rassimus, Angst und dem Erleben echter ökonomischer Misere ist eine krude Weltanschauung entstanden, die auf diffuse Art faschistisch ist, ethno-national und sozialistisch (deshalb UKIPS und Trumps große Erfolge in den Arbeitervierteln), und die von offen gewalttätigem Hass angetrieben wird.
All dem hat das liberale und demokratische Spektrum nichts entgegengesetzt. Es fehlt die Vision, der Gegenentwurf. Wenn überhaupt einmal positiv argumentiert wurde, dann in der Regel mit den angeblichen Vorzügen eben jenes Status Quo, den die Wutbürger und ihre Anführer so vehement ablehnen. Im nächsten Jahr sind Präsidentschaftsahlen in Frankreich, eine Präsidentin Marine Le Pen und damit die Machtübernahme der Front National ist mittlerweile sehr wohl möglich. Die Folgen für Europa wären dramatisch, die EU würde wohl auseinanderbrechen. Wahlen stehen auch in den Nierlanden an, wo Geert Wilders bereits auf dem Sprung ist. Ebenso wie in Deutschland Frauke Petry und die AfD. Es wird also höchste Zeit, eine positive Vision zu artikulieren und zu propagieren, die das demokratische, liberale Europa den Populisten wie den unentschiedenen Wahlbürgern als echtes Gegenmodell präsentieren kann. Es sollte eine inklusive Vision sein, eine positive, mitreißende, eine für die zu kämpfen und einzusetzen sich lohnt. Eine Vision auch, die sich knapp und prägnant verpacken lässt, die frisch ist und aufregend. Die Zeit drängt!
Edgar Klüsener
Weiterverbreitung, Kommentare und vor allem Visionen ausdrücklich erwünscht
Interessante Geschichte! Eine Vision, die mehr ist als ein einfaches „weiter so“? Das dürfte schwierig werden.