The Edgar Broughton Band (Promo Picture, 1970)
Walter Kohl

Out Demons Out: Ein Roman über die Edgar Broughton Band

Picus (Wien)

Ein Roman über eine Band, das klingt zunächst einmal nach Langeweile. Der Verdacht drängt sich auf, dass da vielleicht ein Musikjournalist sich seinem ausgewählten Thema mit der Schablonenhaftigkeit seines Metiers annähert, am Ende der Roman nichts weiter ist als eine aufgepeppte Biographie. Gleich die ersten Seiten von ‚Out Demons Out…‘ lassen den Anfangsverdacht jedoch schnell vergessen; bald findet sich der Leser gefangen in einer sprachgewaltigen Erzählung, die auf subtile Weise das Leben und das künstlerische Schaffen des realen Edgar Broughton mit der Lebensreise des fiktiven Autoren Charly verknüpft.

Romanheld Charly kommt aus der tiefsten oberösterreichischen Provinz, einem Dorf in der Nähe von Linz. Der Krieg ist da noch nicht lange vorbei, und die Schatten jenes tausendjährigen Reichs, das schon nach zwölf Jahren ein unrühmliches Ende gefunden hatte, lasten weiter über dem Dorf und seinen Menschen. In der drückenden und miefigen Enge ihrer Heimat stolpert der junge Charly Ende der Sechziger über die Musik der Edgar Broughton Band, und die stellt etwas mit ihm an. In der Musik der wilden Rockkapelle aus London schwingt vieles für ihn bis dahin buchstäblich Unerhörtes mit: eine Ahnung von Rebellion, von Aufstand gegen Konventionen und Zumutungen, von politischer Stellungnahme und von Ausbruch aus der Normalität. Edgar Broughtons Texte, mühsam mit dem Wörterbuch übersetzt und nach Bedeutungen durchforscht, inspirieren Charly und leiten ihn ein weites Stück heraus aus der provinziellen Beklemmung, in der er am Ende dann dennoch steckenbleibt.

Dass auch Edgar Broughton, der so selbstbewusste wie eigensinnige und konsequent unangepasste Proto-Punkrocker aus London, einst der provinziellen Enge der Kleinstadt Warwick in den englischen Midlands entfliehen musste, dass ihre Lebensgeschichten erstaunliche Parallelen aufweisen, wird Charly erst Jahrzehnte später richtig bewusst, als er ihn in England besucht und tage- und nächtelang mit ihm Geschichten und Erinnerungen austauscht.

Walter Kohl gelingt das Kunststück, die tiefschürfende und detaillierte Biografie Edgar Broughtons in eine Erzählung zu integrieren, in der nicht der Künstler die Hauptperson ist, sondern der österreichische Autor, der sich an seinem Idol abarbeitet und dabei letztendlich zu einem Verständnis seines eigenen Lebensweges gelangt und mit sich selbst Frieden schließen kann. Für mich schon jetzt ein Kandidat für das Buch des Jahres!

Edgar Klüsener

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