Tonnen von Papier, ganze sauerländische Wälder, sind in den vergangenen drei Jahrzehnten mit Geschichten über Nirvana im Allgemeinen und Kurt Cobain im Besonderen bedruckt worden. Alles ist also gesagt, sollte man meinen, und zwar mindestens einmal, wahrscheinlich jedoch eher drei bis dreizehnmal. Warum also jetzt ein weiteres Nirvana-Buch? Es wird wohl kaum noch was aufzudecken sein, selbst das kleinste Geheimnis scheint längst gelüftet.
In der Tat, Neues bietet „Cobain on Cobain“ nicht, soll es auch gar nicht. Trotzdem ist es außergewöhnlich spannend, was Nick Soulsby in diesem Band präsentiert: Die Nirvana-Geschichte dokumentiert durch die Interviews, die die Band in der relativ kurzen Zeit ihres Bestehens gegeben hat. Das funktioniert erstaunlich gut, nicht zuletzt, weil Soulsby und die einzelnen Autoren die Interviews in ihren jeweiligen Kontexten verankern. So wird nicht nur die Geschichte Nirvanas aus sehr verschiedenen Blickwinkeln dokumentiert, sondern es wird zudem deutlich, wie sehr sich das Verhältnis Nirvanas zu den Medien mit zunehmendem Erfolg verändert hat. Zu Beginn ihrer Karriere war der Umgang der Band mit Journalisten ein durchaus freundlicher, nicht selten gar freundschaftlicher. Da waren die Journalisten in der Regel gleichzeitig Musik-Enthusiasten und Fans wenn schon nicht der Musiker dann zumindest doch ihrer Musik. Mit zunehmendem Erfolg wurden dann die Mainstream-Medien und der Boulevard auf Nirvana aufmerksam, was die Musiker zu Anfang durchaus begrüßten. Schnell mussten sie dann jedoch lernen, dass vor allem der Boulevard, aber selbst angesehene Publikationen wie Newsweek, weder Interesse an ihrer Musik noch an den künstlerischen Ansprüchen der Band hatten, sondern ihren Fokus hauptsächlich auf Skandale und Extreme richteten und diese gern auch mal frei erfanden. Spätestens nach dem globalen Erfolg von ‚Nevermind‘ fand die Band sich wider Willen im Celebrity-Zirkus eingepfercht und zum reinen Produkt abqualifiziert.
Interviews aus dieser Periode sind besonders spannend zu lesen, weil sich nun die Einstellung der Band zu den Medien stark verändert hatte. Journalisten begegneten sie mit Misstrauen, Interviews wurden konfrontativ geführt, die Band versuchte gegenzusteuern. Nirvana erwarb sich unter Journalisten den Ruf ‚schwierig‘ zu sein und pflegte den Ruf bewusst. Doch die Strategie ging nur begrenzt auf, am Ende schossen sich die Massenmedien vor allem auf Kurt Cobain und seine Familie ein. Kurt reagierte, indem er erneut in die Offensive ging und, vor allem kurz vor der Veröffentlichung von ‚In Utero‘, zu einem Interviewmarathon ansetzte. In dieser Phase gab es allerdings keine Einzelinterviews mehr, sondern es war grundsätzlich die komplette Band anwesend.
„Soulsby, Nick, ed. Cobain on Cobain: Interviews and Encounters. Musicians in Their Own Words Series. Chicago: Chicago Review Press, 2016.“
Großartiges Interview
[…] Juli 7, 2016 | Lesetipp! Cobain on Cobain: Interviews and Encounters […]