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Foo Fighters, King’s College, 3. Juni 1995: Das europäische Debüt

Titelbild: By Jo – originally posted to Flickr as Foo Fighters Live 21, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3911891

Gerüchte hatte es bereits seit längerem gegeben, dass Dave Grohl eine neue Band gegründet hatte. Seit kurzem stand auch der Name fest: Foo Fighters. Am 3. Juni 1995 dann spielte die Band ihr europäisches Debütkonzert im Londoner King’s College vor einem neugierigen und erwartungsfrohen Publikum. Ich war damals Chefredakteur einer kurzlebigen Musikzeitschrift namens CORE und von der Plattenfirma mit einer Reihe anderer Musikjournalisten zum Konzert eingeflogen worden. Das vorweggenommene Fazit des Konzertberichts: Von dieser Band wird man noch einiges hören. Wie wahr……

Das Auditorium im Londoner King’s College ist nur per Fahrstuhl zu erreichen. Durch ein kleines Labyrinth von Gängen führt der Weg in den zweigeschossigen Saal, an dessen Stirnwand eine kleine Bühne aufgebaut ist, vollgepackt mit Verstärkern, einem Schlagzeug, Mikrofonen und Monitorboxen. Der Bühne genau gegenüber windet sich eine Treppe hinauf zur Balustrade, in deren hinteren Bereichen zwei Bars, auf jeder Raumseite eine, aufgebaut sind. Warmes Bier gibt’s da, aber auch besser gekühltes nichtalkoholisches Gesöff. Zu Studentenpreisen, versteht sich, schließlich befinden wir uns in einem College, irgendwo in London. Durch die breiten Fensterfronten fällt der Blick auf die Themse, deren Wasser von behäbigen Frachtkähnen durchpflügt wird. Rund 800 junge Männer und Frauen füllen den Raum auf beiden Ebenen aus und harren der Dinge, die der Abend noch bringen soll. Die Foo Fighters stehen auf dem Programm, eine Band aus den USA. Mehr weiß kaum jemand. Die Band hat noch keine Platte veröffentlicht, ihre Songs sind noch nicht im Radio gespielt worden, Videos gibt’s eben sowenig. Trotzdem ist die gespannte Erwartung fast körperlich fühlbar. Denn die Foo Fighters, und das weiß jeder, der an diesem Frühjahresabend den Weg ins College-Auditorium gefunden hat, mögen zwar totale Newcomer sein, hinter dem Namen jedoch verbirgt sich ein Drittel von Nirvana. Foo Fighters ist die Band von Dave Grohl, dem Schlagzeuger jener Band aus Seattle, die erst die Charts im Handstreich genommen hatte und dann zur traurigen Legende wurde, weil Sänger und Gitarrist Kurt Cobain sich mit einem gezielten Schuss das Hirn aus dem Schädel geblasen hatte.

Photo aus einem Video-Interview entnommen, das ich mit Nirvana 1994 in Seattle geführt hatte.

Das heißt, eigentlich sind bei den Foo Fighters zwei Viertel von Nirvana präsent. Denn auch Pat Smear, jener Gitarrist, den das Trio für seine letzte Welttournee in die Band geholt hatte, ist mit von der Partie. Doch im Vordergrund steht eindeutig Dave Grohl. Das Licht geht aus, die Spannung steigt noch einmal erheblich. Vier Musiker betreten die Bühne von der Seite her, greifen ihre Instrumente oder nehmen hinter diesen Platz. Und die erste große Überraschung ist fällig. Denn der, der sich hinter dem Schlagzeug niederlässt, ist NICHT Dave Grohl. Der steht vielmehr in der Mitte am Bühnenrand, fasst mit einer Hand das Mikrofon, während die andere lässig den Hals einer elektrischen Gitarre hält. Der Schlagzeuger hat sich zum Gitarristen gewandelt. Na, wenn das mal gut geht! Rechts neben ihm hat sich mit der zweiten Gitarre Pat Smear aufgebaut, am linken Bühnenrand tänzelt nervös Basser Nate Mendel auf und ab. Und hinter seinem Ensemble aus Trommeln und Becken reckt sich ein letztes Mal vor dem ersten Einsatz ein gewisser William Goldsmith.
,,Hi, wir sind die Foo Fighters“, stellt Dave Grohl sich und seine Mitstreiter kurz vor und drischt dann auch schon auf seine Gitarre ein. ,This Is A Call‘ heißt der erste Song, der gleich für drei weitere Überraschungen gut ist. Die erste: Dave Grohl geht mit den sechs Saiten ebenso gut, wenn nicht gar besser um wie in früheren Tagen mit den Trommelstücken. Die zweite: er singt selbst. Und zwar verdammt gut. Drittens: die Musik erinnert stark an Nirvana. Was einige Fragen aufwirft. Zum Beispiel die: Könnte es sein, dass Dave Grohl weit maßgeblicher am Songwriting seiner ex-Band beteiligt gewesen sein, als es nach außen hin den Anschein hatte? Die folgenden Titel ,I’ll Stick Around‘ und ,Big Me‘ verstärken diesen Verdacht nur. Ebenso andere Tracks, die die Band an diesem Abend runterzockt, Songs wie ,Watershed‘, Exhausted‘ oder ,Alone And Easy Target‘. Die Antwort darauf wird Dave Grohl hoffentlich irgendwann selbst geben. Zurzeit allerdings verweigert er sich noch standhaft allen Versuchen, mit ihm ins Gespräch zu kommen. ,,Keine Interviews“, lautet die kategorische Absage auf alle entsprechenden Anfragen. Die Begründung liefert er gleich nach:

,,Foo Fighters ist eine brandneue Band. Über uns gibt’s derzeit noch nichts zu sagen. Worüber sollen wir also in Interviews mit den Journalisten reden?“

Und meint damit wohl:

,,Egal, mit wem ich im Moment auch sprechen würde, das Gespräch würde mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit schon nach wenigen Minuten auf Kurt Cobain und Nirvana kommen. Beides aber hat mit dem, was ich jetzt mache, herzlich wenig zu tun.“

Hinzu kommt noch, dass er schon in früheren Tagen Interviews in der Regel herzlich wenig abgewinnen konnte. Das Reden hatte er nahezu immer Kurt Cobain und Krist Novoselic überlassen, sich selbst auf wenige kurze Statements beschränkt. Eins davon, vielleicht das wichtigste, war:

,,Ich mag diesen übersteigerten Medienrummel nicht. Die Medien tendieren dazu, Personen zu Karikaturen zu verzerren und schaffen so ein Bild von Musikern, das am Ende kaum noch etwas mit den Menschen und noch weniger mit deren Musik zu tun hat.“

Auf der Bühne stellt Dave Grohl unter Beweis, dass er das Zeug zu einem herausragenden Frontmann hat. Er sucht und findet den direkten Draht zum Publikum, ist ständig in Bewegung, malträtiert die Gitarre, stöhnt und schreit ins Mikro. Doch wie gut der Mann als Sänger tatsächlich ist, zeigt sich erst bei jenen Songs, die von seltsam melancholischen Harmonien geprägt sind. Er interpretiert sie auf eine Art, die direkt unter die Haut geht. Der Mann hat Charisma, keine Frage. Und die Band steht ihm in nichts nach, zieht in jeder Phase voll mit, ist tight und kommt auf den Punkt. Die Foo Fighters strahlen eine eigentümliche Mischung aus ungestümer Energie, Aggressivität und Melancholie aus, bestechen jedoch vor allem durch ihre ungebärdige Spielfreude und eine mitreißende Performance, an der nichts gekünstelt oder gar einstudiert wirkt. Insgesamt zwölf Lieder spielt die Band, Lieder, die eine breite stilistische Palette abdecken. Die Bandbreite reicht von rohem Neopunk über schräge und leicht psychedelisch anmutende Klangcollagen bis hin zu eindringlichen kleinen Songs, die vage in einer amerikanischen Folkrock-Tradition stehen, wie sie von Musikern wie Neil Young geprägt wurde.

Das Ende des Konzertes kommt viel zu früh. Als das Saallicht angeht, bleibt als stärkster Eindruck, dass hier eine Band aufgespielt hat, die einen eindeutig eigenen und unverwechselbaren Charakter hat. Und die Erkenntnis, dass Dave Grohl in der Vergangenheit wohl schwer unterschätzt worden ist. Denn der Mann ist nicht nur ein guter Drummer, sondern mehr noch ein überzeugender Gitarrist, Sänger und Performer. Außerdem, die vielleicht größte Überraschung, ein enorm talentierter und versierter Songschreiber. Was nahezu zwangsläufig die Frage nach seinem tatsächlichen Einfluss auf die Musik von Nirvana aufwirft. Eins ist an diesem Abend auf jeden Fall klargeworden: Von den Foo Fighters werden wir noch einiges zu hören bekommen. An dieser Band wird wohl kaum ein Weg vorbeiführen.

C 1995/2002 Edgar Klüsener

Die komplette Setlist 3. Juni 1995, King’s College, London.

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Pink Floyd – The Wall-Tour 2011

Die Mauer bröckelt…

The Division Bell sollte das bislang letzte Studioalbum bleiben. Erst 2014 meldete sich die Band mitEndless River zurück. Die Musiker gingen nach wie vor ihre eigenen Wege. Die Mauer zwischen Rogers und dem Rest der Band allerdings, die lange unüberwindlich schien, hatte bereits in den Neunzigern wieder zu bröckeln begonnen. Die Anwälte hatten sich ihre Ferraris verdient, die Rechtslage war zufriedenstellend ungeklärt, friedliche Koexistenz war der Status Quo, auf den alles hinsteuerte. Auch wenn Roger Waters angeblich eine Einladung Gilmours ausschlug, zur Band auf deren Abschlusskonzert in London auf die Bühne zu kommen, man sprach jedenfalls wieder. Nicht immer in höchsten Tönen übereinander, aber zumindest miteinander.

Und dann standen sie plötzlich tatsächlich doch wieder zusammen auf der Bühne. Das war am 2. Juli 2005, auf Bob Geldofs Neuauflage des legendären Live Aid-Festivals, das diesmal unter dem Titel Live 8 über die Bühne ging. Vorausgegangen war das übliche Tauziehen. Geldof hatte zunächst David Gilmour kontaktiert, ob der sich einen Auftritt von Pink Floyd auf dem Festival vorstellen können, war jedoch von dem abschlägig beschieden worden. Nun ist Geldof keiner, der eine Absage einfach so auf sich beruhen lässt. Ganz im Gegenteil, er fasste sie als Herausforderung auf und begann nun erst recht zu bohren, zerren und ziehen. Durch seine Rolle in der Verfilmung von „The Wall“ hatte er die Band sehr intim kennengelernt und wusste genau, wer wo wie zu packen war. Zunächst jedoch schien er auf Granit zu beißen. Pink Floyd gab es eigentlich nur noch auf dem Papier, und Gilmour war bis über beide Ohren in seinem Soloprojekt vertieft. Er wollte nicht nur nicht, er konnte auch nicht. So sah er es zumindest, und so machte er es Geldof klar. Der war freilich anderer Meinung. Und rief als nächsten Rick Mason an. Doch der sagte ebenfalls Nein. Dachte dann aber noch einmal in Ruhe darüber nach – und schickte Roger Waters eine Email. Das Verhältnis zwischen den beiden hatte sich inzwischen weitgehend normalisiert und war durchaus wieder freundschaftlich. Waters mailte umgehend zurück und wollte wissen, was genau Geldof denn mit diesem Festival vorhabe. So ganz genau konnte Mason die Frage auch nicht beantworten. Also rief Waters kurzerhand bei Bob Geldof an und verlangte weitere Infos. Was er hörte, gefiel ihm, zumal die politische Ausrichtung und das Anliegen des Festivals sehr wohl mit Waters‘ eigenen politischen Standpunkten korrespondierte und daher unbedingt unterstützenswert erschien. Er äußerte also vorsichtige Bereitschaft, in irgendeiner Form mitzuwirken. Erst zwei Wochen später allerdings wurde ihm mit einem Mal wirklich bewusst, dass es bis zum Festival nur noch ein Monat war. Dass die Zeit drängte, war in dieser Situation eine wahre Untertreibung. Rogers rief Gilmour an. Der zögerte noch einen Moment, vor allem, weil er befürchtete, dass seine Stimme und sein Gitarrenspiel mit der Zeit ein bisschen eingerostet sein könnte. Doch Waters redete ihm die Bedenken schnell aus, und nicht einmal 24 Stunden später war die Pink Floyd- Reunion beschlossene Sache.

Das Medienecho, vor allem in Großbritannien, war gigantisch. Gigantisch war auch Pink Floyds Auftritt. „Comfortably Numb“ war einer der ganz großen magischen Momente des Festivals, und die Live 8-Version ist die wahrscheinlich beste Live-Version dieses Pink Floyd-Klassikers.

… und wird einmal mehr aufgerichtet

Der Auftritt auf dem Live 8- Festival war allerdings nicht der Beginn einer neuen Phase in der Geschichte von Pink Floyd, sondern ein einmaliges Ereignis. Anschließend versank die Band, mit und ohne Waters, wieder in den Dornröschenschlaf. Der wurde nur von zwei Todesnachrichten unterbrochen. Am 7. Juli 2006 verstarb Syd Barrett im Alter von 60 Jahren in seinem Haus in Cambridgeshire. Zu seiner Beerdigung traten sowohl Waters als auch Pink Floyd auf.

Am 15. September 2008 verstarb Rick Wright im Alter von 65 Jahren an Krebs. In einer Erklärung würdigte ihn die Band, Waters eingeschlossen, als einen Kollegen, der einen enorm wichtigen künstlerischen Beitrag zur Musik von Pink Floyd geleistet habe.


Danach wurde es nach außen erneut sehr ruhig um die überlebenden Mitglieder von Pink Floyd. Dass hinter den Kulissen neue Pläne geschmiedet wurden, konnte man allerdings zwischenzeitlichen Interviews von Gilmour und Waters entnehmen, die beide eine Pink Floyd- Reunion nicht mehr kategorisch ausschlossen. Doch zu der sollte es nie kommen. Immerhin jedoch standen die überlebenden Bandmitglieder am 10. Jui 2010 noch einmal gemeinsam auf der Bühne, aber das war im Rahmen eines Wohltätigkeitskonzertes in kleinstem Rahmen in der Kiddington Hall im englischen Oxfordshire und vor gerade mal 200 Zuschauern. Im Anschluss an das Konzert versprach David Gilmour noch, dass er während der anstehenden dritten „The Wall“-Tour für ein Konzert auf die Bühne kommen und gemeinsam mit Waters „Comfortably Numb“ spielen werde.

Roger Waters Vorbereitungen zur Drittauflage von „The Wall“ liefen da bereits auf Hochtouren. War die originale Wall-Tour auf gerade mal vier Städte, drei Länder und zwei Kontinente beschränkt gewesen (Los Angeles, New York, London und Dortmund), und die Zweitauflage gar nur auf Berlin, sollte die dritte Auflage des Bühnenklassikers zwei Jahre lang endlich um die ganze Welt reisen.

Aber warum gerade jetzt, warum überhaupt noch einmal dieses gewaltige Unternehmen? Und war das thematische Konzept von „The Wall“ nach 30 Jahren nicht allmählich völlig veraltet?

Nicht für Waters, dem es mit „The Wall“ einmal mehr nicht um eine bombastische Rockveranstaltung, sondern um eine Reihe von glasklaren politischen Statements ging. Die falsch-spielerische Leichtigkeit, mit der westliche – und hier vor allem britische und amerikanische – Regierungen nach wie vor ihre Jugend von Jugoslawien über Afghanistan bis zu Irak und schließlich Libyen – in Kriegen verheizen, für die die vorgeschobenen ethischen und moralischen Gründe nur Feigenblätter für handfeste machtpolitische und ökonomische Interessen der jeweiligen Eliten sind, widere ihn an, erklärte der mit den Jahren nur noch radikaler gewordene Pazifist wieder und wieder in Interviews. „The Wall“ sei seine künstlerische Auseinandersetzung mit einer Wirklichkeit, die Mauern und Barrieren aufbaue zwischen Künstler und Publikum, Individuum und Gesellschaft, Gesellschaft und Staat; eine Mauer, die Kommunikation verzerrt und unmöglich macht.

Waters ist ein Überzeugungstäter, und The Wall ist sein Manifest, sein Opus Magnus, ein Testament, das mit Herzblut geschrieben ist.

Die Tour begann am 15. September 2010 mit drei Aufführungen im kanadischen Toronto und zog dann weiter nach Chicago und von dort kreuz und quer durch die USA, Kanada und Mexiko. Am 21. Dezember 2010 endete der nordamerikanische Teil der Tournee in Mexiko City. Der erste Teil des Reiseunternehmens war ein gigantischer Erfolg. Die Kritiker überschlugen sich in höchsten Lobeshymnen, und die Kassen klingelten süß in den weitgehend ausverkauften Stadien und Arenen. Die Einnahmen wurden allerdings auch bitter benötigt, denn die Produktionskosten für die gewaltige Show, die von der Bühnenpräsentation und vom technischen Aufwand her die beiden früheren „The Wall“-Inszenierungen locker in den Schatten stellt, belaufen sich auf rund 37 Millionen britische Pfund (42,7 Millionen €). Die anschließende Winterpause währte bis zum 21. März 2011. Pünktlich zum Frühlingsanfang startete der europäische Teil der Tournee mit zwei Shows in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon. Danach ging’s hin und her durch Europa. Madrid, Barcelona, Lodz, Berlin, Arnheim, Budapest, Zürich, Prag, St. Petersburg, Manchester und Mailand sind nur einige der Stationen.

Unbestreitbarer Höhepunkt der gesamten Tour allerdings war der 12. Mai 2010. In der Londoner O2-Arena war die Mauer zu voller Höhe aufgebaut und lag in völligem Dunkel. Ein einziger Scheinwerfer erfasste Roger Waters, der vor der Mauer stand, Mikrofon in der Hand, und die erste Zeile von „Comfortably Numb“ intonierte. „Hello, is there anybody out there? Hello? Hello?“ Beim zweiten „Hello“ tauchten weitere Scheinwerfer die Wand hinter ihm in gleißendes Licht und die Musik setzte ein. Waters sang weiter, bis zu „Relax, Relax“, dann fiel eine zweite Stimme ein. Ein weiterer Scheinwerfer erleuchtete eine Gestalt ganz oben am Rand der Mauer: David Gilmour, der nun den Part von Waters übernahm, weitersang und zugleich die Gitarre spielte.“

Die Wiedervereinigung der beiden Streithähne in größtmöglichem Rahmen war spektakulär, anrührend und durch und durch emotional. Noch emotionaler allerdings der Schluss des Konzertes, als Nick Mason zu den beiden stieß und sich Waters, Gilmour und Mason für einen Moment in den Armen lagen. Die O2- Arena stand Kopf. Wie auch die Kritiker am nächsten Morgen. Alle Hoffnungen auf eine Reunion seien allerdings weiterhin vergeblich, erklärten separat voneinander Waters, Mason und Gilmour in den folgenden Tagen immer wieder. Es gäbe einfach keinen Grund für eine solche. Jeder von den dreien betonte, dass gelegentliche gemeinsame Konzerte zu sehr besonderen Anlässen durchaus vorstellbar seien, Mehr aber auch nicht.

Edgar Klüsener

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Aktuell Rezensionen

Buchrezension: Ein nacherzähltes Leben

Walter Kohl

Out Demons Out: Ein Roman über die Edgar Broughton Band

Picus (Wien)

Ein Roman über eine Band, das klingt zunächst einmal nach Langeweile. Der Verdacht drängt sich auf, dass da vielleicht ein Musikjournalist sich seinem ausgewählten Thema mit der Schablonenhaftigkeit seines Metiers annähert, am Ende der Roman nichts weiter ist als eine aufgepeppte Biographie. Gleich die ersten Seiten von ‚Out Demons Out…‘ lassen den Anfangsverdacht jedoch schnell vergessen; bald findet sich der Leser gefangen in einer sprachgewaltigen Erzählung, die auf subtile Weise das Leben und das künstlerische Schaffen des realen Edgar Broughton mit der Lebensreise des fiktiven Autoren Charly verknüpft.

Romanheld Charly kommt aus der tiefsten oberösterreichischen Provinz, einem Dorf in der Nähe von Linz. Der Krieg ist da noch nicht lange vorbei, und die Schatten jenes tausendjährigen Reichs, das schon nach zwölf Jahren ein unrühmliches Ende gefunden hatte, lasten weiter über dem Dorf und seinen Menschen. In der drückenden und miefigen Enge ihrer Heimat stolpert der junge Charly Ende der Sechziger über die Musik der Edgar Broughton Band, und die stellt etwas mit ihm an. In der Musik der wilden Rockkapelle aus London schwingt vieles für ihn bis dahin buchstäblich Unerhörtes mit: eine Ahnung von Rebellion, von Aufstand gegen Konventionen und Zumutungen, von politischer Stellungnahme und von Ausbruch aus der Normalität. Edgar Broughtons Texte, mühsam mit dem Wörterbuch übersetzt und nach Bedeutungen durchforscht, inspirieren Charly und leiten ihn ein weites Stück heraus aus der provinziellen Beklemmung, in der er am Ende dann dennoch steckenbleibt.

Dass auch Edgar Broughton, der so selbstbewusste wie eigensinnige und konsequent unangepasste Proto-Punkrocker aus London, einst der provinziellen Enge der Kleinstadt Warwick in den englischen Midlands entfliehen musste, dass ihre Lebensgeschichten erstaunliche Parallelen aufweisen, wird Charly erst Jahrzehnte später richtig bewusst, als er ihn in England besucht und tage- und nächtelang mit ihm Geschichten und Erinnerungen austauscht.

Walter Kohl gelingt das Kunststück, die tiefschürfende und detaillierte Biografie Edgar Broughtons in eine Erzählung zu integrieren, in der nicht der Künstler die Hauptperson ist, sondern der österreichische Autor, der sich an seinem Idol abarbeitet und dabei letztendlich zu einem Verständnis seines eigenen Lebensweges gelangt und mit sich selbst Frieden schließen kann. Für mich schon jetzt ein Kandidat für das Buch des Jahres!

Edgar Klüsener

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Nachrichten Zeitgeschichten

Brexit-Gegner formieren sich: Marsch auf das Londoner Parlament

Im Vereinigten Königreich formiert sich ein rasant wachsender Widerstand gegen die Regierung der Premierministerin Theresa May und gegen den angestrebten harten Ausstieg Großbritanniens aus der EU. Im März will Theresa May unter Berufung auf den Artikel 50 des Lissaboner Vertrages die Austrittsprozedur offiziell beginnen. Im Referendum hatten 52 % der Wähler dafür gestimmt, dass das Vereinigte Königreich aus der EU austreten solle, der sogenannte Brexit.Die Stimmen waren allerdings denkbar ungleich verteilt. Die keltischen Nationen Schottland und Nordirland hatten mit klarer Mehrheit gegen den Brexit gestimmt, was nun zu Komplikationen führt. Die schottische Premierministerin Nicola Sturgeon hat bereits angekündigt, dass jedes Verhandlungsresultat, dass nicht explizit schottische Interessen berücksichtigt, ein Unabhängigkeitsreferendum der Schotten nach sich ziehen wird. Ähnlich ist die Lage in Nordirland. Dort beunruhigt die Bevölkerung, dass im Falle eines harten Brexits ein neuer Grenzzaun zwischen Nordirland und der Republik Irland aufgerichtet werden könnte, der Familien, Orte und ganze Landstriche auseinanderreißen würde. Zudem würde die Wirtschaft Nordirlands, das sich gerade erst von einm langjährigen Bürgerkrieg erholt, schwer in Mitleidenschaft gezogen. Auch in Wales, das ursprünglich mit knapper Mehrheit für den Brexit gestimmt hat, macht sich Ernüchterung breit, seitdem klar wird, dass ein Austritt aus der EU den Verlust von lebenswichtigen EU-Subventionen bedeutet, der vor allem die walisische Landwirtschaft, und damit die ärmsten Regionen des Landes, hart treffen wird. Umfragen ergeben inzwischen eine Mehrheit für den Verbleib des Landes in der EU.
England hat zwar mit knapper Mehrheit für den Brexit gestimmt, allerdings zeigt sich hier eine schroffe Teilung zwischen ländlichen Regionen und den von der Deindustrialiserung der Thatcher-Jahre am stärksten betroffenen Kommunen in den Midlands und Nordenglands. Die Großstädte London, Liverpool, Manchester, Bristol und Sheffield sowie die walisischen Metropolen Cardiff und Swansea haben mit klarer Mehrheit für einen Verbleib in der EU gestimmt, während das umliegende Land für den Austritt stimmte.Im Vertrauen auf die Vorhersagen der Meinungsforscher, die durchweg eine Niederlage der Brexiter vorausgesagt, hatten vor allem jüngere EU-Befürworter den Weg zum Wahllokal erst gar nicht angetreten. Was sich prompt rächte. Zu den Ungereimtheiten des Referendums, die im Nachhinein für wachsende Verärgerung sorgen, gehört auch, dass die 3.5 Millionen EU-Bürger im Lande nicht abstimmen durften, wohl aber im UK ansässige Menschen aus Commonwealth-Ländern wie Australien, Neuseeland, Botswana oder Bangladesh. Ebenfalls nicht stimmberechtigt war eine Mehrheit der britischen Staatsbürger, die in anderen EU-Staaten leben und arbeiten. Rund 5 Millionen Menschen also, die mit ihren Familien direkt und unmittelbar betroffen sind, durften nicht einmal abstimmen.

Mittlerweile regt sich allerdings massiver Widerstand gegen den Brexit-Kurs der May-Regierung. Die Remainer sowie die 3,5 Millionen EU-Bürger im Lande machen mobil. Die Regierung wird mit Prozessen überzogen, die unter Umständen ihre geplante Ausstiegsstrategie komplett über den Haufen werfen könnte. Europafreundliche Abgeordnete schmieden parteiübergreifende Koalitionen um einem Totalausstieg des Landes entgegenzusteuern. Die Liberaldemokraten, die einzige erklärt europafreundliche Partei, die im gesamten Königreich vertreten ist und die bis vor kurzem noch beinahe ausgelöscht war, steigt wie Phoenix aus der Asche auf und gewinnt plötzlich auf spektakuläre Weise Nachwahlen selbst in ausgemachten Brexiter-Gegenden.

Die Brexit-Gegner organisieren sich zu zehntausenden in Online-Foren und Facbook-Gruppen wie ‚The 48 Percent‘, ‚We are the 3 Million‘ oder ‚The New Europeans‘ auf und loten neue Widerstandsformen aus. Inzwischen haben sich die diversen Gruppen effizient miteinander vernetzt, es ist eine Graswurzelbewegung entstanden, die auf britischer Seite vor allem von den jüngeren Generationen getragen wird, die sich um ihre Zukunft betrogen sehen und nicht bereit sind, ihre europäische Citizenship kampflos aufzugeben. Auf lokaler Ebene zeigen die Brexit-Gegner bereits Stärke. Wie sehr die Bewegung gewachsen ist, wird sich allerdings erst am 25. März zeigen, in dem Monat, in dem die Regierung offiziell den Austritt des UK aus der EU ankündigen will.

Zum Marsch auf das Parlament rufen zu diesem Anlass alle Organisationen gemeinsam auf. Der Aufruf wird von Hochschulen, Gewerkschaften, Bürgerorganisationen, Parlamentarierern und anderen Gruppierungen unterstützt. Mit dem Marsch wollen die 48 % ein Zeichen setzen, dass mit ihnen sehr wohl noch zu rechnen ist.

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SCORPIONS – die frühen Jahre

Für die Scorpions waren die Siebziger Jahre die Dekade, in der sich der Kern der Band endgültig fand, in der sie sich rasant von einer Amateurcombo in einen internationalen Act wandelte. Über ihren Weg in den frühen Siebzigern ist dennoch relativ wenig bekannt. Grund genug, diese Jahre einmal etwas eingehender unter die Lupe zu nehmen.

Mit Michael Schenker an der Leadgitarre und Klaus Meine als Sänger hatte die Band Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger eine ganz erhebliche Qualität gewonnen. Hinzu kam ein riesiges Repertoire von Rock-Standards, zunehmend spezialisiert auf harten Rock á la Led Zeppelin, Deep Purple oder Black Sabbath, sowie erstes eigenes Material. In der Amateur- und Semiprofiszene konnten sich die Scorpions bundesweit einen mehr als beachtlichen Stellenwert erspielen und galten unter Veranstaltern generell als sicherer Tip für gutbesuchte Häuser. Dennoch war die finanzielle Situation der Band ständig bis zum äußersten angespannt, wie Klaus sich erinnert:

»Ich war damals noch ein sehr starker Raucher. Irgendwann passierte es mal, dass ich keine Zigaretten mehr hatte, dafür aber einen tierischen Schmacht. Ich wollte also drei Mark aus der Bandkasse nehmen, um irgendwo Zigaretten kaufen zu können. Rudolf, der die Kasse machte, gab mir keinen Pfennig, weil wir die letzten paar Märker dringend brauchten, um nochmal Benzin nachzutanken. Sonst hätten wir’s nicht mehr nach Hannover zurück geschafft. Jeder Pfennig, den wir verdienten, floss direkt wieder in die Band. Wir finanzierten davon die Reisen zu den Konzerten und die Erweiterung der Anlage. Für alles andere war kein Geld da!«

Der deutsche Regisseur Schlesinger drehte in jener Zeit einen Anti-Drogen-Film mit dem Titel Das Kalte Paradies (Jahre später auch im ZDF ausgestrahlt). Zu diesem Film suchte er noch die passende Musik. Er trat an die Band heran mit der Bitte, den Soundtrack für den Film zu schreiben. Sie spielten ihm drei Songs vor und entschlossen sich dann, diese in einem richtigen Studio nochmal neu aufzunehmen. Nur welches sollte das sein? Der Hannoveraner Musikerkollege Frank Bornemann empfahl das Hamburger Star-Studio von Conny Plank, der sich gerade einen Namen als Produzent von Kraftwerk gemacht hatte. Plank hörte sich die Demos, war interessiert und lud sie zu Aufnahmen in sein Studio ein. Gleichzeitig bot er den Scorpions einen Produktionsvertrag an, der ohne großes Hin und Her angenommen worden.»Hört zu, Jungs, ich mache eine Platte mit Euch,» teilte er der Gruppe mit und fuhr fort: »Im Oktober fangen wir an

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