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Metallica: Geschichten, die die Straße schreibt

Eine kleine Sammlung von Tourgeschichten aus den früheren Jahren Metallicas, die mir Lars Ulrich irgendwann 1989 erzählt hatte. Im Mittelpunkt stand fast immer Bassist Cliff Burton, der 1986 bei einem tragischen Busunfall in Schweden ums Leben gekommen war. Nicht gerade Spinal Tap, aber nah genug dran und in der Rückschau interessant zu lesen. Die Tourstories erschienen erstmals in der deutschen Ausgabe des Metal Hammer im Herbst 1989 und dann auch in den jeweiligen Landessprachen im Metal Hammer UK, Frankreich, Griechenland, Spanien, Ungarn und im holländischen Ardschok/Metal Hammer. In der historischen Rückschau ist vor allem die Episode in Corpus Christi interessant, die Metallica im Zentrum einer ‚Moral Panic‘ zeigt, der zeitgleich auch eine Reihe anderer Künstler in den USA zum Opfer fielen. 

Ein Mega-Act auf Tour? Kein Problem, alles bestens durchorganisiert. Eine ganze Heerschar professioneller Mitarbeiter kümmert sich um jedes Detail, und sei es auch noch so winzig, arrangiert Transport, Hotels, Interviews, die Gigs, die Promotion, stets bemüht, jedes Risiko, dass etwas schiefgehen könnte, von vornherein auszuschalten. Eine Welttour durchzuführen, erfodert absolute Generalstabsarbeit, auch bei Metallica, dem Underground schon längst entwachsener Superact der späten 80er. Mit Rock´n Roll im eigentlichen Sinn hat eine solch perfekt vorbereitete Worldtour kaum noch etwas zu tun, da gleicht die Geschichte schon eher einer minutiös geplanten Geschäftsreise für Topmanager eines Weltkonzerns. Italien? Okay, wir spielen die und die Dates, da und dort laufen Interviews, und den Rest der Zeit habt ihr frei zwecks Erforschung von Land und Leuten— oder Venedigs weltberühmten Kanälen. Was soll denn da noch großartig schiefgehen? Spinal Tap gehört längst der Vergangenheit an, von „Ride The Lightning“ trennt „And Justice for All“ Welten.

Aber Metallica war nicht immer der Topact unserer Tage, auch Lars Ulrich und Kollegen mussten wie jede neue Rockband  durch die harte Schule der Straße. Und aus jener Zeit gibt´s einiges zu erzählen, Geschichten, die purer Rock ’n’ Roll sind, Geschichten, wie sie so nur die Straße schreiben kann. Die Palette reicht von Katastrophen bis hin zu kaum glaublichen Ereignissen, die, jedes für sich, durchaus Stoff für abendfüllende tragischkomische Filme bieten könnten. Die ganz große Katastrophe, die Metallica „on the road“ ereilte, jener Unfall in Skandinavien, der Cliff Burton das Leben kostete, an dieser Stelle wieder aufzuwärmen, wäre mehr als geschmacklos, obgleich sie sehr wohl DAS entscheidende Eckdatum in der Karriere Metallicas darstellt. Beschränken wir uns also lieber auf andere kleine und große Desaster, denen immer gemeinsam ist, dass ihnen auch ein Hauch von Komik innewohnt, und begeben uns direkt an die Grenze zwischen den USA und Kanada.

Vergessen im Niemandsland…

Pic: Wikipedia Commons

Ein Reisebus nähert sich der amerikanisch-kanadischen Grenze, fährt langsam an den Kontrollpunkt heran und stoppt schließlich. Drinnen ein Haufen langhaariger Jungs, Instrumentenkoffer, jede Menge Bierdosen – offensichtlich eine von diesen Rockbands auf Tour, eine Rockband allerdings, deren Namen den Grenzpolizisten beider Nationen zu jener Zeit noch herzlich wenig sagen dürfte. „Wohin des Weges, warum und wozu? Und irgendwas zu verzollen dabei? Drogen, Waffen? Und die Pässe bitte.“

Die Abfertigung nimmt einige Zeit in Anspruch. Niemand achtet sonderlich auf den jungen Mann, der aus dem Bus aussteigt und sich anschickt, sich etwas die Beine zu vertreten. Schnell gelangt er aus dem Blickfeld der Zöllner wie der eigenen Reisegesellschaft. Schließlich ist die Abfertigung beendet, die Musiker und ihr Tross versammeln sich wieder im Inneren des Nightliners und die Grenzbeamten kehren zurück in die warmen Wachstuben, zurück zu ihren Spielkarten oder was immer sonst sie zu ihrem Zeitvertreib zu unternehmen pflegten. Der Fahrer lässt den schweren Diesel an, langsam setzt sich der Bus in Bewegung, die Fahrt geht weiter, hin zum nächsten Konzert, weit hinein ins Landesinnere. Drei Stunden ohne Pause, immer weiter, vier Stunden und dann:  „Wo zum Teufel ist eigentlich Cliff???“ 

Cliff???!!!“ 

Hey Mann, der ist gar nicht im Bus!!!“ “Oh Shit! Wann ist der denn ausgestiegen, wir haben doch zwischendurch nirgendwo Halt gemacht. Habt Ihr schon mal auf dem Klo nachgesehen?“
Nee, da isser auch nich!“ „Scheiße! Wir müssen ihn an der Grenze vergessen haben!!!“

Und tatsächlich, während der Rest der Band munter in Richtung Konzert weiterreiste, war Cliff Burton an der Grenze zurückgeblieben, zum Erstaunen der Grenzer, die sich plötzlich mit einem einsam und verlassen wirkenden jungen Mann konfrontiert sahen, der da unversehens aus den Büschen auftauchte und verwundert nachfragte, wo denn seine Kollegen abgeblieben seien.
Lars Ulrich erinnert sich später noch gern an diese Tourepisode, vergisst aber nicht hinzuzufügen: „Dass sowas überhaupt passieren konnte, war ganz klar auch auf ein schlechtes Tourmanagement zurückzuführen. Zu Zeiten der „RTL“-Tour haben wir noch mit ausgesprochenen Amateuren zusammenarbeiten müssen. Heute könnte sowas schlicht nicht mehr vorkommen.“

No Remorse in Corpus Christi…

Okay Mann, wir wollen Dein gottverdammtes Geld, alles, verstehst Du ?!” Erschrocken und verwirrt musterte der Mann die beiden jungen Kerle, beide sicherlich nicht älter als 17 oder 18, die da so unversehens vor ihm aufgetaucht waren. „Mein Geld, no way, Mann. Sucht Euch doch ´n anderen, den ihr ausnehmen könnt.“ Nervös und offensichtlich bis zum äußersten angespannt stand das Duo vor ihm, tänzelte unruhig von einem Bein auf das andere. Dann begann einer der Jungs zu singen, mit monotoner Stimme, eine abgehackte Melodie und immer wieder die eine Zeile. No remorse… konnte der Mann so gerade verstehen, und immer wieder No remorse…

Plötzlich brach der Gesang ab und der Junge zog eine Pistole aus der Jackentasche, ein hässliches Ding und extrem gefährlich wirkend. „so Du willst nicht? Dann weißt Du, was Dich erwartet.“ Und er begann den kompletten Text des Metallica-Songs „No Remorse“ zu rezitieren. Schlagartig kam dem Mann das ganze lebensgefährliche Ausmaß seiner Situation zu Bewusstsein. Diese Kids, auch das erkannte er, waren heillos verrückt, total durchgeknallt, reden oder gar argumentieren konnte man mit denen sicherlich nicht mehr. Angst um sein Leben stieg in ihm auf, tiefe und unüberwindbare Furcht. „No Remorse, Mann“ schrie der Junge und legte die entsicherte Pistole auf ihn an.
Der Mann ließ sich in den Straßendreck fallen, brach zusammen, rutschte auf den Knien umher und flehte um sein Leben. „Nehmt alles, was ich habe, aber lasst mich am Leben ..“
No Remorse, keine Gnade, auch nicht für Dich!“, war die Antwort und mit einer ruckartigen Bewegung hob der Junge die Pistole an, zielte direkt in das Gesicht des Mannes und drückte ab… 
Nur wenig später wurden die beiden gefasst und vor ein Gericht in Corpus Christi gestellt. Während der eine zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, stand für den Todesschützen der Ausgang des Prozesses von vornherein fest. Als das Todesurteil schließlich verkündet wurde, stand er langsam auf, drehte sich zum Publikum hin, musterte für einen langen Augenblick die Anwesenden, darunter viele Journalisten aus allen Teilen Texas´, und begann dann zu singen „No Remorse..“

 

Der Fall machte Schlagzeilen in ganz Texas.

Eine kleine Weile später am Airport von Corpus Christi, Texas. Die Maschine mit Metallica an Bord war gerade gelandet und die Band drängte sich durch in Richtung Ankunftshalle. Alle waren in bester Stimmung, die „RDL“-Tour hatte sich bisher als voller Erfolg erwiesen, der Stern der Band war unaufhaltsam im Steigen begriffen, auch in den USA. Trotzdem war der Medienaufmarsch im Flughafen mehr als erstaunlich, einen solchen Empfang hatte die Band noch nirgendwo sonst erlebt. Fernsehkameras surrten und schoben sich neugierig an die einzelnen Musiker heran, ein wahres Blitzlichtgewitter brach über sie und ihren Tross herein und von allen Seiten wurden sie mit Fragen bombardiert.

Was zur Hölle ist hier los?????“

Lars Ulrich Jahre später dazu: “Wir hatten ja überhaupt keine Ahnung von dem , was kurz zuvor in Corpus Christi geschehen war. Der ganze Medienrummel hat uns förmlich überrollt.“
Während Metallica noch rätselten, was eigentlich los war, waren sie bereits zu DER Newsstory des Tages geworden. „Metallica are in town!“ verkündete das Fernsehen, das Radio und die Tagespresse. Ein Sturm der Empörung fegte durch Corpus Christi. „Diese Verbrecher, die unschuldige Kinder dazu verführen, Menschen umzubringen, sollten sofort der Stadt verweisen werden“, war noch die harmloseste Forderung der kochenden Volksseele. Andere forderten gar die Köpfe der Musiker, die erst durch einen Anruf vom Management überhaupt erfuhren, was hinter dem Rummel steckte.

James, als Autor der Lyrics von „No Remorse“ musste in einem langen Fernsehinterview Stellung beziehen zu den Lyrics und zu den Vorwürfen, dass erst der Song überhaupt den Teenager dazu gebracht habe, mit der Waffe in der Hand loszuziehen und Unschuldige umzubringen. Metallica waren auf einmal Monster, deren Konzert in Corpus Christi wegen der verderblichen Wirkung auf die Kids der Stadt mit allen Mitteln verhindert werden musste. Es kam zu Protestaktionen vor der Halle, Aufmärschen aufgebrachter Bürger vor dem Hotel und Drohbriefen und –anrufen. Der Fall machte Schlagzeilen in den gesamten Vereinigten Staaten. Das Konzert fand trotzdem statt…

Der Tag, an dem der Blizzard kam…

pic: Edgar Klüsener 1998

Buffalo im Staate New York, nahe an der kanadischen Grenze. Wir schreiben den Januar 1985. Ein verheerender Schneesturm fegt über Land und Stadt, unterbricht Strom- und Telefonleitungen, bedeckt Straßen meterhoch mit Schnee, knickt Bäume wie Streichhölzer und schneidet Buffalo von der Außenwelt ab. In den Straßen der Stadt nicht das geringste Anzeichen von Leben, nichts und niemand rührt sich. Vor einem der besten Hotels des Ortes stehst, halb eingeschneit, ein komfortabler Reisebus. Im Inneren des Hotels die Band und die mitgereiste Crew.

„Wann gibt´s denn hier verdammt noch mal was zu essen??? Hey, Ober, ist nicht bald Lunchtime?!“

„Es tut mir sehr leid, Sir, aber die Küche ist geschlossen, es gibt nichts!!!“

„Oh Shit, aber wir hängen doch mindestens einen Tag hier fest, bevor wir weiterfahren können. Sollen wir etwa die ganze Zeit hungern??? Ihr habt doch mit Sicherheit irgendwo Nahrungsmittel für das Personal gebunkert oder etwa nicht?“

„Haben wir schon, aber da kommt gerade mal das Personal mit zurecht. Sorry, Sir…“

Die Situation beginnt allmählich leicht tragische Aspekte zu bekommen. Da sitzt der gesamte Metallica-Tourtross in einem Hotel fest, zusammen mit einigen Bediensteten des Hauses, und es sind kaum Nahrungsmittel vorhanden. Die Stadt ist vollständig von der Außenwelt abgeschlossen, die Dauer des Zwangsaufenthaltes somit noch mehr als ungewiss, Nachschub ist nicht zu erwarten und die Hotelangestellten sind vorerst nicht bereit, ihre Vorräte zu teilen. Auch der Wink mit der Dollarnote hilft nicht viel weiter. Und draußen ist immer noch alles grau in grau, fegt der Sturm durch die Straßen und wirbelt dichte Wolken pulvrigen Schnees vor sich her. Gottseidank funktioniert wenigstens die Heizung noch. Die erste Nacht bricht herein und das Verhältnis zwischen Hotelbediensteten und hungernden Zwangsgästen wird zunehmend gespannter.

„Nun gut, wenigstens haben wir Zigaretten und Alkohol im Bus, damit werden wir den Magen schon für ne Zeit ruhig halten können.“
Also wird ein Roadie hinaus in das Unwetter geschickt, mit dem Auftrag, Alkoholika und Rauchwaren aller Art aus dem Bus zu holen. So kann, während draußen die Straßen in geisterhaft schmutzig-graues Licht getaucht werden, in der Geborgenheit des Hotels zumindest ein kleines Besäufnis gestartet werden, misstrauisch beäugt von einem Kellner des Room-Service, der schließlich selbst auch Durst bekommt und zudem noch feststellen muss, dass ihm die Zigaretten ausgegangen sind. Beides, Alkohol und Zigaretten, ist im Hotel nicht zu bekommen, die Bar ist unwiderruflich abgeschlossen, der Schlüssel unterwegs mit dem Barmann, dem das Unwetter alle Zugangswege zur Stadt und zum Hotel gnadenlos versperrt hat. Jetzt ein Bier…

„Entschuldigung Sir, könnte ich vielleicht einen Schluck abhaben.. und vielleicht auch noch ne Zigarette???“

Die Chance wird sofort erkannt und konsequent genutzt.

„Aber klar doch, Mann, allerdings hätten wir da ne kleine Vorbedingung. Du schleppst was zu essen ran. Alles klar?!“

Der Deal funktioniert zur beiderseitigen Zufriedenheit, zumal sich ihm auch andere durstige Angestellte bald anschließen. Zurück zur Tauschwirtschaft heißt die Devise, Bier gegen Brot und Tabak gegen Tortellini. Insgesamt drei Tage lang währt die Isolation in Buffalo, bis endlich die ersten Schneepflüge von außen den Kontakt zur Welt wieder herstellen, bis wieder Strom da ist und neue Lebensmittel geliefert werden können. Und bis es weitergehen kann zum nächsten Konzert.

Alle reden vom Wetter… wir auch!

Wir befinden uns auf der „Master Of Puppets“-Tour, irgendwo in Amerika. Rund zweitausend Fans tummeln sich vor der städtischen Halle, in der in dieser Nacht Metallica aufspielen sollen. Innen ist die große Bühne bereits aufgebaut worden, Helfer stehen gelangweilt herum und harren der Dinge, die schon längst hätten geschehen sollen. Schließlich fährt der Bus vor, sucht seinen Weg zum abgesperrten Backstage-Areal und parkt genau vor dem Bühneneingang. Heraus springen Metallica, sehen aufmerksam in die Runde und fragen dann erstaunt den örtlichen Promoter, der sie draußen empfängt: „Wo ist denn der Truck mit dem Equipment?“

„Tja, das fragen wir uns auch. Ich dachte, Ihr wüsstet das.“

„No way, man, keine Ahnung, ham die sich denn noch nicht gemeldet? Die hätten doch schon vor gut fünf Stunden hier sein sollen.“

„Nee, kein Anruf, nix. Aber kommt erstmal rein, Jungs.“

Die Halle macht einen imposanten Eindruck. Ein großer Innenraum, leer, eine riesige Bühne, leer… Und draußen vor der Halle beginnen die Kids zu skandieren. „Metallica, Metallica…“

Der Bus ist entdeckt worden, die Ankunft der Band eine rasend schnell verbreitete Nachricht. Alles drängt nun zum Ticket-Schalter. Die Band ist da, es wird also bald losgehen. doch der Schalter bleibt geschlossen.

„Hey, wir haben Nachrichten vom Truck. Die sind in einem Unwetter steckengeblieben, hundert Meilen von hier. Die können frühestens in fünf Stunden hier sein.“

„Schick sie weiter zum nächsten Auftrittsort!“

„WE WANT METALLICA…“ Die Kids werden allmählich unruhig.

„Hört mal Jungs, wollt Ihr nicht doch noch spielen? Ein oder zwei kleine Verstärker und ´n lüttes Drumkit können wir schon noch besorgen!“

Ein Blick von der Bühne in den riesigen Innenraum, auf die leeren Ränge, eine erste Vorstellung von der Akustik in der Halle, von Echo, Hall und Soundbrei.

„Vergiss es, Mann, so geht das nicht! Wir holen das Konzert späger irgendwann mal nach.”

„WE WANT METALLICA…“ Zweitausend Kids vor der Halle… Die Tickets behielten ihre Gültigkeit bis zum nächsten Metallica-Gig in dieser Stadt, Wochen später.

Hasch und Machinenpistolen, ein deutsches Trauma…

„Niemand verlässt den Bus, bleiben Sie bitte auf ihren Plätzen!“

Schauplatz: deutsch-niederländische Grenze. Die „Ride The Lightening“-Tour führt Metallica hinein ins Staatsgebiet der damaligen BRD. Schwerbewaffnete Bundesgrenzschutzbeamte mit umgehängten Maschinenpistolen und begleitet von Schäferhunden, letztere abgerichtet auf das Erschnüffeln von Betäubungsmitteln aller Art, entern den Nightliner. Während die Hunde ihre Nasen in alles und jeden hineinstecken, kontrollieren die Grenzer Pässe und Gepäck. Im oberen Stockwerk des Busses liegt derweil Cliff Burton im Halbschlaf und wundert sich über die merkwürdige Geräuschkulisse, die von unten herauf dringt. Schließlich wird es ihm zu bunt, bei diesem Lärm kann wirklich niemand mehr in Ruhe schlafen. Also erhebt er sich von seiner Liege und wirft einen Blick hinunter, genau auf einen Drogenhund, der sich auf die Treppe zu seinem Domizil zubewegt.

„Ach du große Scheiße!“

Cliff hat einen kleinen Klumpen Haschisch dabei, besten schwarzen Afghanen, ein bis zwei Gramm oder so. „Was tun??? Runterschlucken??? Iss wohl das beste…“
Als der Hund, gefolgt vom Lauf einer Maschinenpistole und dem dazugehörigen Grenzschützer bei Cliff anlangt, kaut dieser immer noch an dem trockenen Bissen und schluckt krampfhaft die letzten Brösel hinunter.

„Ihren Pass bitte.“

Der Hund schnuppert misstrauisch an Cliff herum, ist sich jedoch über den wahrgenommenen Geruch offensichtlich selbst nicht sicher und verliert schließlich das Interesse.

„Vielen Dank, gute Weiterfahrt..“

Langsam setzt der Bus sich wieder in Bewegung, an Bord ein Cliff Burton, dem es nach einiger Zeit immer komischer wird. Etliche 90 Minuten später ist der gute Mann so stoned wie nur selten zuvor in seinem Leben, als der schwarze Afghan seine Wirkung voll entfaltet. Der nächste Tag ist ein freier, und Cliff ist immer noch breit bis zum Anschlag. die Band findet´s lustig, albert herum mit Cliff, nimmt ihn hoch und amüsiert sich königlich über den verwirrten, zugeknallten Kollegen. Was soll´s schon, an diesem Tag ist eh kein Konzert. Das Konzert ist am nächsten Tag… Cliff ist immer noch stoned von seiner unfreiwilligen Cannabis-Mahlzeit. Die Band findet´s nicht mehr ganz so komisch, zumal Cliff abends auf der Bühne leichte Probleme hat, mit sich, der Musik und seiner Umwelt klarzukommen, geschweige denn, sich auf den Beinen zu halten. Erst am dritten Tag wurde Cliff allmählich wieder nüchtern und die Tour konnte problemlos weitergehen. Problemlos? Nun, irgendwas ging bei Metallica fast immer schief,aber das sind schon wieder ganz andere Geschichten, die wir vielleicht irgendwann später einmal erzählen werden…

Erstveröffentlichung / first published: Metal Hammer Germany 1989

C 1989/2022 Edgar Klüsener

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‚I WANNA BE ELECTED!‘ – ON TOUR WITH ALICE COOPER

From the archives: First published in Metal Hammer UK, 28 March, 1988

He wants to be elected, or does he? Following a radio interview in the states, it suddenly became front page news that Alice Cooper was going to stand for the post of Governor of Arizona! Of course, the whole thing was a complete misunderstanding, but it caused quite a stir, drawing more media men than usual to his recent US shows. With the old Gore-Hound now poised to begin a full UK tour (new stageshow, old habits), the big question is: will Alice put himself forward as a candidate for the ‚Bring Back Hanging (For Everyone)‘ party, and if so it should certainly be interesting to check out his swingometer!

SCHIZOPHRENIA IS a strange disease. Suddenly, there are two or more personalities that either communicate or are strictly separate, fighting for leadership in the one body which belongs to them all.

Schizophrenia can open new worlds, be visionary and then degenerate into paranoia. Schizophrenia is a disease which never leaves the affected person. Schizophrenia can be simulate chemically with hallucinogenics, but then you fall in love with it and lose your mind. Schizophrenia can be cruel, it can shut someone away in the most horrible of worlds – a hell on earth that makes Biblical hell seem like paradise.

Each person has streaks of schizophrenia inside them. It can be ignored, fought or oppressed – you can shut the alter ego away and forget about it. You can also turn yourself into an equal partner, into reflection of a different, absurd and obscure world; a mask that’s shocking and revolting. Like Vincent Damon Furnier.

But who is Vincent Damon Furnier?

Vincent Damon Furnier first saw the light of day in the ‚Motortown‘ of Detroit on 2nd February 1948. The first 17 years of his life took the more or less normal course of a typical American youth without mentionable highs or lows, except for those to be expected during puberty combined with a healthy need to rebel.

Alice Cooper. Pic: Hunter Desportes,
CC BY 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by/2.0,

The metamorphosis of Vincent Damon Furnier began much later in 1965 in the capitol of the desert state of Nevada – Phoenix. As a student at the art college there he met Mike Bruce (guitar/keyboards), Glen Buxton (guitar), Neal Smith (drums) and Dennis Dunaway (bass). The five of them decided to do something together that would enable them to break away from American reality – Rock ’n‘ Roll.

They formed a band and called themselves The Spiders (temporarily changing the name to Nazz at a later point) and tried to transfer the aesthetic concept of dada artist Marcel Duchamp into a show which was a mixture of rock and theatre. For the first time Vincent Furnier began to slip out of his skin and become a different person – not just tolerating this person but giving him strength and personality.

During this time Vincent Damon Furnier’s stage persona developed a life of its own – he turned into a dual being, two spirits in the same body. Everything changed. The stage personality struck out on its own, was christened and became a creature that has been influencing rock music in the western world for the past 20 years. With two hearts beating as one, Alice Cooper stepped into the spotlight and shocked the public.

This strange, shockingly brutal, perverted, and dirty old android called Alice Cooper was a smack in the face of the American dream, a full-frontal attack on Anglo-Saxon prudery. Vincent Damon Furnier, who created and christened Alice Cooper, disappeared slowly from the surface, was buried and forgotten, only to resurface sometimes as Alice Cooper’s seldom-seen alter ego. That was in 1966. A year later Frank Zappa discovered Alice Cooper (by which time he had moved to LA), signed the band to his Straight label and the rest is rock history…

ALICE COOPER is still causing havoc in the USA 21 years later in February 1988. The announcement that he’ll be coming back to Europe, following up his headline appearance at the Reading Festival in 1987, was reason enough for a trip to sunny California, the aim being to take a close look at Alice Cooper in 1988.

Alice is made up of all the horrible kinky things that comprise the dark side of the American moon. He symbolises hidden desires, frustrations and shattered dreams. He is the reflection of an American that pretends it’s something it isn’t, confronting his audience with a reality that most would like to see hidden behind a wall of silence or buried deep beneath the ground. Alice is the merciless mirror of the shadowy depths of the American dream, and that’s why the establishment still hates him 20 years on.

SAN DIEGO freeway, somewhere between San Diego and the motorway checkpoint specially built to catch illegal immigrants before they get too far into the US and simply disappear. Alice Cooper finished his show in San Diego less than an hour ago – a show containing much more than you’d normally expect; it was a play, a mixture of Stephen King’s nightmares, Poe-like atmosphere and absurd slapstick scenes with an obvious lack of taste.

The tricks in the show had been planned down to the last detail and were always surprisingly, an explosion of ideas and amazing stunts. The concert must’ve been hard work for Alice as he was moving non-stop, not taking a moment’s rest. But he’s getting the break he deserves now on the back seat of the Ford Mustang that’s being driven back to the hotel by his manager, Toby Mamis.

„The show is calculated right down to the last second,“ explains Alice. „There’s hardly any room for improvisation. Only during the last two songs do we deliberately leave more space, giving us a little more freedom. If the performance is tightly organised and something technical goes wrong all of a sudden, you’re in deep shit. We then have to rely on our ability to improvise and react quickly, either to get around the technical hiccough or else accept it as a new element in the show, which is something we’ve done as well.“

Each song in the set has got its own set-up, its own storyline, and the preparation reflects this…

„Before we started the tour we rehearsed the show for two months intensively.“ adds Alice, „the last week in front of an audience. About 200 people were there every day and the way they reacted to what was happening onstage was very important on us. I don’t know of any other band that does anything remotely similar. That’s another reason why Alice is unique.“

Long Beach Arena is situated in a costal town on the outskirts of LA; it houses a venue that is typical of American halls, equally suitable for rock concerts, basketball matches or musicals, containing enough seats to accomodate around 15,000 people. The first band, Faster Pussycat, go down well in front of their home crowd with a mixture of rock’n’roll and r’n’b (a la Aerosmith/Rolling Stones/Led Zeppelin, etc, played loud and dirty), a combination that strikes just the right Californian nerve at the moment.

Then Motorhead hit the stage to a keen reception, finally winning over the audience with ‚Overkill‘ and looking like they might have a chance of cracking it in the States at long, long last. We shall see…

And then…classical music filters through the speakers – Alice Cooper’s signature tune – and the atmosphere in the hall rises towards boiling point. Suddenly he’s there, the high priest to a whole generation of American teenagers, a dark figure…Alice Cooper himself!

Each song that follows tells a particular story, amongst them gems such as ‚Chop Chop Chop‘, ‚Prince Of Darkness‘ and (back in the set) ‚Black Widow‘. The musicians stand in the background on platforms of different levels. Indeed, everything takes place on three levels, with the front of the stage, ground level, belonging to Alice and the different actors and occasionally Kane Roberts, descending from his platform to play a brilliant solo. This man looks like Austrian Arnold Schwarzenegger (better known as Conan the Barbarian and the future governor of California), and you get the impression he’ll accidentally break more than just a string if he’s not careful! – but as far as guitar playing goes, he’ll be up in the big league very soon.

The middle level is reserved for guitarist Jonny Dime and bassist Steve Steele (who changes his name as often as the others have hot dinners) on the left-hand side and keyboard player Paul Horowitz on the right. Drummer Ken Mary is right at the top, a fine drummer who has played with David T. Chastain but in the future will probably be concentrating on his own band, Filth Angel.

Alice Cooper live on Hellfest 2004, Photo: Augustin Blanchet, FAL, via Wikimedia Commons

Horowitz, meanwhile, must be the man with the most birthplaces in rock; wherever they play, Alice always introduces him as being from that particular town, even when the town in question isn’t much more than a village. The announcement in England will probably be: „…And from Milton Keynes / Telford / Peterborough, Paul Horowitz!“

„The media,“ says Alice after the show, „described what Alice does on stage as ‚Shock Rock‘, ‚Theatre Rock‘ or whatever, but even after 20 years they’re still trying to categorise me, and even I can’t do that! In the 60’s Alice was the first band to be labelled as ‚Heavy Metal‘, and to be honest all these descriptions are probably true to an extent. One thing should be made clear, however: although we use a lot of theatrical ideas in our performance, we’re not just a theatre group. We’re mainly a rock band, but we try to visualise our ideas a lot more than other bands do.“

TO UNDERSTAND the show, to see more in it than gushing blood and scary effects, you have to understand Alice himself. Alice isn’t just a normal everyday person with everyday problems – relationships, job prospects, getting a new car or paying off the mortgage. When Alice falls in love then it’s with an animal of the night, a vampire or a zombie. He has affairs with Teenage Frankensteins and Black Widows, but nothing comes across as being absurd or tasteless, just Alice himself. Alice doesn’t ‚kill‘ out of naked lust, he kills and rapes because he’s madly and romantically in love. He’s the ugliest side of Mr. Average, taking things to the extreme as ever.

In the past Alice set out to shock with his over the top behaviour, but because of the sexual and mental liberation that has taken place over the past 20 years he could now appear out of place, ridiculous even. However, by incorporating a potent mixture of theatre and performance techniques the roots of which can be traced back a full hundred years, he’s able to get away with it. He uses elements of strange theatre, expressions from the dada movement, all mixed up with subtle irony, attacking the nerves of the unsuspecting, leaving them helpless and confused.

S&M, rape, murder and hanging, blood orgies, simulated masturbation (sounds like an episode of Blue Peter – Ed), Vincent Damon Furnier’s other self uses every single cliche (it is Blue Peter – Ed), distorting them beyond recognition and becoming a dramatist comparable to the likes of Stephen King.

„I discovered the psychopathological element in this world and described it in the most bizarre way. But I don’t think that makes me a madman. Maybe I’ve just managed to retain the freedom of seeing and watching things; I know there are lots of sides to everything and I try to discover what these are and reflect on them. Obscure things fascinate and attract me.“

At this moment I’m not quite sure who I’m speaking to – Alice or Vince. Each of them seems to have taken on aspects of the other’s personality, though they both express the feelings of the same person in the end, whatever name he goes under. This is what Vincent/Alice has got in common with the people he used to hang out with in the early days. His old friends used to be Salvador Dali, Fred Astaire, Groucho Marx and Pierre Cardin – all people with bizarre and unusual methods of seeing and expressing their lives (what about John Noakes?)

THIS IS AMERICA…

A subject that keeps cropping up in Alice Cooper songs and shows is his subtle relationship with America, with the dream of a nation that thinks it is God’s gift to the earth and mankind. What does America really mean to Alice and Vincent?

„I like America because it’s extreme, like Alice – the all-American child. America is in love with itself, in love with the thought that it’s the ‚missionary saviour of the world‘. That’s why America is always getting involved with other countries‘ affairs without asking first. America can’t even imagine that some people and some countries would be far happier if they didn’t have America’s involvement to cope with.

„Everyone in America is manipulative, and is manipulated every day and every hour. Americans know that they are easy to manipulate but they don’t care, and if it comes to the crunch they can always say ‚No‘, and they do. That’s what happened with Vietnam and ‚Watergate‘.

„America is completely egocentric, the country and its inhabitants. Each individual puts himself first. At the same time, there is an enormous amount of brutality and nastiness in this country, as well as innocence and humour – it’s a mixture that works well and has strange results.

„On top of all this, America is the centre of the world as far as entertainment goes. Entertainment defines life in America more than anywhere else in the world; it determines the whole of American reality America is extreme, and that’s why I love it. It’s as extreme as Alice…“

There’s no doubt that America is extreme – so extreme that bad actors can become Presidents and good rock musicians can become governors. Governors???

THAT’S RIGHT On the 24th of February, the day of the concert in San Diego, Alice gave an interview to a radio station during the course of which he was asked to make a statement on the political situation in his home State of Arizona. I’ll explain the situation briefly: The governor of Arizona, a Mr. Meecham, has been receiving a lot bad publicity recently because of his strange attitude towards boosting his own income. As his closest advisor and colleague is being sought after on murder charges in some states, this doesn’t make the situation any easier for the Governor, who at the moment has to answer to the US Senate, and the way things are looking will have to resign shortly.

The shrewd radio reporter had discovered a connection between Alice and Meecharn. By pure chance, Alice had bought his first car off the not-yet Governor but already secondhand car dealer Meecham, all of this taking place many years ago. However, because Alice lives in Phoenix, the capital of Arizona, the radio reporter added two and two together and got five, asking Alice for his opinion on Meecham and politics in general. Alice knew nothing about the connection, but added his views all the same:

„It never ceases to amaze me how these men are whitewashed as soon as they’re in the public eye, but it wouldn’t be the same with me. Everyone knows that I’m dirty old Alice from the start. If I became Governor, the people would know what I’m like right from the beginning, which would make a change.“

And that was that… or was it? Not for the radio man, it seems. The broadcast later on was short and simple: ‚Alice Cooper is standing for election as the Governor of Arizona!‘ Of course Alice hadn’t said this but no-one seemed to care…

The next day it was on everybody’s lips. During the flight from LA to the gambling paradise and American entertainment dream of Las Vegas, Alice and Toby Mamis spent their time looking through piles of daily papers, all of them, big and small, the mass circulation ones and the regional LA publications. The news was in them all: ‚The new candidate for the Governor of Arizona‘. Apart from being in the dailies, the news was also on the American ABC TV channel, while the UPI news ageny shouted it out to the rest of the world.

When Alice arrived in Las Vegas there was chaos. Radio and television companies were waiting to interview him, press people who hadn’t seemed interested in his concert beforehand were buzzing around, and Alice was beginning to have major difficulties explaining that it was all a mistake to people who didn’t want to listen.

As soon as Alice landed in Las Vegas it all started to happen. When he entered the airport terminal, normal run-of-the-mill American citizens started congratulating him, wishing him all the best and letting him know that despite being a perverted monster he was just the man for the job of Governor of Arizona! A little old lady was heard to comment: „If a bad actor can become an average President, then a good rock musician has to be a better Governor! „

I guess the concert in Las Vegas could have been seen as the first step in Alice Cooper’s election campaign. I wanna be elected, indeed!

‚RAISE YOUR FIST AND YELL‘

‚Freedom‘, the first encore of the show, could become a protest song for the future Governor. Vincent Damon Furnier’s strange worlds seem nothing compared to the double standards of modern Americans.

„I’ve never left behind that phase of my development during which I hated bigoted authority and fought against it too. Even today, I’m not only suspicious of the system, but full of hatred towards it. And with that I mean everyone and everything that represents the system in any way whatsoever, including the security guards at the concerts. Of course, I know that they are there to protect me, but on the other hand it’s these guys who stand between me and my fans, they are a kind of police and they behave like police. ‚Freedom‘ is a song against all organised power, although I wrote it mainly as a protest about the PMRC. Alice was right at the top of their hit list. Alice is supposed to print all his lyrics on his sleeve and have them approved. Not that I mind printing my lyrics on the sleeve, but I don’t think I should have to. I wrote the song ‚Freedom‘ instead of a letter of complaint to let the PMRC and everyone they stand for know what I think about them.

„This group (the PMRC) mustn’t be taken too seriously. Really, they are just four old ladies in Washington who try and get as much publicity as possible for their husbands, who are all influential politicians. Since the main-man behind the PMRC, Albert Gore, has admitted himself that he used to smoke pot and listen to loud rock music when he was a kid (something which was discovered while he was working on the President’s election campaign) the movement won’t last long anyway.“

Who knows, when we see Alice Cooper play in Britain, supported by Chrome Molly, maybe we’ll be greeting the future Governer of Arizona…Vincent Damon Furnier.


C 1988 Edgar Klüsener

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Blick aus der Vergangenheit in eine Zukunft, die so (fast) nie passiert ist.

Jonathan Gold machte sich im Dezember 1989 im Metal Hammer Gedanken über das kommende Jahrzehnt und wagte eine Prognose. Lustig zu lesen in der Retrospektive, auch wenn manche Insiderwitze heute kaum jemandem etwas bedeuten dürften:

Kommse näher, kommse ran, meine Damens und Herren, tretense ruhig ein. Hier gibt‘s wat zu sehn und zu erleben, die Zukunft steht uns bevor, ein nagelneues und taufrisches Jahrzehnt, kaum befleckt bis jetzt, höchstens ein bisschen schadstoffbelastet, aber Schwamm drüber, damit könn wa schon noch überleben.

Die Neunziger werden toll, werte Freunde, einfach unglaublich. Alles wird sich ändern, nichts beim Alten bleiben und sowieso kein Stein auf dem anderen. Heavy Metal wird noch heavier und Hardrock noch harder, Bon Jovi spielt bei Schimanski mit und Kohl wird Landschaftsgärtner. Neue Bands wird‘s geben und jede Menge Schnee von gestern.

Lasstse knallen, die Sektkorken und Chinaböller, die Tellerminen und Platzpatronen, ein Feuerwerk für die nächsten zehn Jahre Zukunft, in denen alles besser wird als je zuvor.

Aus wilden Rockern werden brave Angestellte und Familienväter, Klemm geht zum Spiegel und Kühnemosh am Stock, die Bundeswehr erklärt sich selbst den Krieg und schießt scharf auf Barbiepuppen. In den Neunzigern, also ich sage euch, da wird die Hölle los sein im gottgegebenen Wohlstandsparadies. Peter Alexander supported 1994 Metallica und die Stones spielen in Rio im Vorprogramm von Sodom. In Moskau gehen die Lichter an in der 194. McDonalds-Filiale, in Helsinki baut der Weihnachtsmann nen dicken Crash mit dem nagelneuen Lamborghini, das Brandenburger Tor wird von Sony aufgekauft, Stein für Stein abtransportiert und in Tokios neuer Fußgängerzone wiederaufgebaut. Derweil läuft im Radio ununterbrochen Slayers neue Hymne ‚Oans, Zwoa, Lift the Buckets…‘

Hergehört Leute, den Blick in die Zukunft gibt‘s hier gratis: hochauflösend und flimmerfrei, direkt vom Schicksal in digitaler Qualität per Satellit ins Haus gestrahlt. Die Neunziger haben schon begonnen, 2000 steht vor der Tür. Kinder, da wird‘s was geben!

Abgasfreie Parkuhren, rote Plastikweihnachtsbäume, Männerbeauftragte in der Regierung und Pauschalreisen zum Saturn, Weihnachtsfeiern auf der B1 und Ghandi in den Top Ten. Milli Vanilli singen Heavy Metal Opern, die Scorpions spielen live in Peking und Sepultura in Sun City. Die Bühnen werden immer größer und die Fans immer kleiner, die Mädchen immer draller und die Pariser immer dichter. Glück wird herrschen in jedem Haus, weil wir dann alle endlich verkabelt sind, mit dem Gehirn direkt an die Steckdose gekoppelt. Freiheit gibt‘s für jedermann und Hustensaft kostet dann ein Vermögen.

Die Mafia stellt den Präsidenten, die Deutsche Bank kauft Sibirien, in den USA regiert endlich mal die Kirche, und der Papst schafft in einer Blitztournee neunzig Ländern in zehn Minuten.

Geil wird‘s in den Neunzigern, und wir alle sind mit dabei, wenn die Toten Hosen für die Fortuna Eigentore schießen. Zehn Minuten Sonnenbad sind dann gut für zwanzig Jahre Hautkrebs, italienische Eisverkäufer machen das dicke Geschäft unter antarktischen Palmen, und Tiefseetaucher gehen der Reeperbahn auf den Grund um mit Unterwasserkameras aufzuzeichnen wie sündig das Leben in den Achtzigern war.

HiFi-Stereo-Ohrringe trägt bald schon jeder Trottel, die Gnurzin Demons leiten die New Wave of Tibetan Heavy Metal (NWoTHM) ein und setzen Maßstäbe, die keiner mehr erfüllen kann. Mit einer kleinen aber feinen Operation werden Augenlinsen in leistungsfähige Fernsehbildschirme umgewandelt (14 Programme auf jedem Auge, HiFi-Stereo und 3 D). Die Zukunft wird sensationell!!!

In der Zukunft haben alle Menschen das Recht auf ihre Rechte, gibt es gesetzliche Mindestpreise für das zwischenstaatliche Kinder-Handelsmonopol, heißt der In-Drink Tequila Crack und steht die Avantgarde auf die brandheiße FlipFlopCrap-Musik der New Yorker Straßenkinder. DJ‘s erfinden das CD-Scratchen per Fernkontrolle und die Autobahnen werden zu Wanderwegen umgebaut, weil die Staus sich eh nicht mehr auflösen lassen.

Rosige Zeiten stehen uns bevor, Damen und Herren, Brüder und Schwestern! Ein neues Jahrzehnt der Liebe bricht an, mit Blumen im Haar und Kalaschnikows in den Unterhosen. Zigaretten sind dann out, Nikotin wird direkt in die Venen gejagt. Kokain ist Schnee von anno dunnemals, die neue Wunderdroge kommt direkt von Bayer und macht so wunderbar cool. Das Römische Reich wird wiederauferstehen und seine Legionen werden auf Skateboards durch die Geschichte düsen. Tja, die Zukunft wird herrlich, und dabei stehen wir noch ganz am Anfang. Also hoch die Tassen, lasst uns anstoßen auf das neue Jahrzehnt.

Jonathan Gold
Metal Hammer (01/1990)

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Musik Reportagen Zeitgeschichten

Es war einmal… in Hagen

Nena, Extrabreit, Eroc, Grobschnitt…. Für einen kurzen Augenblick in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern des vergangenen Jahrhunderts war Hagen eine Popmetropole von westdeutsch-nationaler Bedeutung. „Komm nach Hagen, werde Popstar“, texteten Extrabreit damals, und der Ruf wurde gehört. Die Medien wurden aufmerksam und kamen nach Hagen, Musiker zogen aus anderen Städten zu, die Stadt am Volmestrand war plötzlich angesagt. Eine Art Seattle-Effekt in der westfälischen Provinz. Bald darauf jedoch versank die Stadt wieder in provinziellem Tiefschlaf, die Karawane zog weiter. Hagens flüchtiger Moment als Popmetropole der BRD hatte dennoch Folgen für die deutsche Rock- und Medienwelt.

Irgendwo am Rande des Sauerlands, fast noch Ruhrgebiet, aber eben doch nicht mehr ganz, liegt diese kleine Großstadt. Dicht bewaldete Hügel des Sauerlandes begrenzen sie im Süden, im Westen die Höhen des Bergischen Landes und im Norden und Osten die an manchen Stellen fast idyllischen Flußlandschaften von Lenne und Ruhr. Mitten durch die Innenstadt fließt die Volme, zu breit für einen Bach, aber auch noch kein richtiger Fluss. So wie Hagen zu groß für eine Kleinstadt ist, aber zu klein für eine Großstadt. Etwas über 200.000 Menschen lebten hier noch in den Siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Seitdem fällt die Zahl ständig. Schuld daran ist vor allem die Industrie. Oder vielmehr: deren Fehlen. Denn die Schwerindustrie hatte noch bis ins letzte Drittel des Zwanzigsten Jahrhunderts das Bild der Stadt bestimmt, hatte Brot und Arbeit garantiert und ein kleines bisschen Wohlstand. Sie hatte arbeitssuchende Einwanderer aus Ländern wie Italien, der Türkei oder Griechenland angelockt und so dazu beigetragen, dass die Stadt zumindest an der Oberfläche ein wenig multikultureller wurde. Als jedoch die Stahlindustrie starb, starb auch Hagen, langsam und schleichend. Aber nicht lautlos. Mitten in der Depression explodierte die Stadt plötzlich in einem kurzen, aber dafür umso grelleren Feuerwerk der Kreativität. Das war, als Hagen plötzlich rockte.

Hagener Innenstadt

Musik war für viele der letzte, der einzige Ausweg aus der grauen Öde der siechenden Stadt, ein Aufschrei der Frustration, irgendwie auch ein Hilferuf. Der erdrückenden Langeweile, der provinziellen Enge konnte nur noch mit schrillen Tönen begegnet werden. Hagen war allerdings nicht Hamburg, München oder Berlin. Nicht einmal Köln. Hagen war Provinz, was dort vor sich ging, interessierte schon zehn Kilometer weiter meist weniger als der Jahresbericht des Taubenzüchtervereins. Gut, es gab Grobschnitt, die Progressiv-Rocker, die in den Siebzigern mit langatmigen Mega-Kompositionen wie ‚Solar Music‚ zu Krautrock-Pionieren geworden waren. Aber das war’s auch schon. Auf Popmusik aus Hagen hatte niemand gewartet. Nicht einmal im benachbarten Dortmund. Wer was werden wollte, wer künstlerische Ambitionen hatte, Freiheit und Abenteuer suchte, der verließ die Stadt so schnell wie möglich. Wie die Humpe-Schwestern, die nach West-Berlin ausbüchsten. Andere aber blieben. Und weil weder Medien noch Plattenfirmen freiwillig nach Hagen kamen, schufen sie sich eben eigene Medien, Plattenfirmen, Managements, Konzertbüros und Musikverlage und schrien ihre Existenz laut in die Welt hinaus. Es gab verschiedene Epizentren des Bebens, das von Hagen aus in den nächsten Jahren die bundesdeutsche Musikwelt erschüttern und verändern sollte. Die meisten konzentrierten sich auf den Ortsteil Wehringhausen, das Viertel der links angehauchten Studentenszene, der Künstler und Musiker und der Kinder der Nacht.

Wichtiger noch aber war, zumindest für einige Monate, ein grauer Bürobau am Rande Wehringhausens. Die Berliner Straße verbindet die Innenstadt mit dem Vorort Haspe. Damals führte sie vorbei an dunklen Mietskasernen, an Fabriken und Lagerhallen. In einem tristen Zweckbau an der Berliner Straße, irgendwo zwischen Wehringhausen und Haspe, hatte sich 1979 eine kurzlebige Bürogemeinschaft etabliert, in der all die wichtigen Akteure der Hagener Szene und ihres Umfeldes unter einem Dach arbeiteten, die in den folgenden Jahren deutsche Musik- und Popmediengeschichte mitgestalten sollten.

Auf Popmusik aus Hagen hatte niemand gewartet…

Kai Havaii
Foto: Peternfuchs (Creative Commons)

Angemietet hatten das Gebäude die Geschäftspartner Hartwig Masuch und Ulrich Wiehagen. Die beiden betrieben zusammen einen Musikverlag, bei dem unter anderen die Bands The Stripes, mit Sängerin Nena, und Extrabreit unter Vertrag waren, wie auch The Ramblers, deren Sänger Hartwig Masuch war, allerdings unter dem Künstlernamen Christian Schneider. Uli Wiehagen gab außerdem die Zeitschrift Musiker/ Musik News heraus. Deren Chefredakteur war für einige Monate Jörg Hoppe,  der Kopf hinter Extrabreit, und ihr Chefdesigner Kai Schlasse alias Kai Havaii. Eine weitere Mitarbeiterin war Gundi Brühl. Den Satz besorgte Jürgen Wigginghaus. Nebenan werkelte eine Konzertagentur, die Tourneen für Extrabreit, Fehlfarben, The Stripes und andere Bands buchte und in der Peter Dell, späterer Bassist der Heavy Metal-Gruppen Faithful Breath und Risk das Tagesgeschäft erledigte.

Alle, die hier arbeiteten, hatten zweierlei gemeinsam: sie wollten raus aus der Provinz, und sie sollten in den folgenden Jahren eine wichtige Rolle in Deutschlands Musik- und Medienwelt spielen.

Da wäre der Malersohn und Rolling Stones-Fan Hartwig Masuch, für den es schon zu Schulzeiten klar war, dass außer Musik für ihn nicht viel anderes in Frage kam. Er war nicht nur der Sänger der Band The Ramblers, er hatte mit seinem Partner Uli Wiehagen auch kurzerhand noch ein Management aufgebaut. Und einIn einem tristen Zweckbau an der Berliner Straße, irgendwo zwischen Wehringhausen und Haspe, hatte sich 1979 eine kurzlebige Bürogemeinschaft etabliert, in der all die wichtigen Akteure der Hagener Szene und ihres Umfeldes unter einem Dach arbeiteten, die in den folgenden Jahren deutsche Musik- und Popmediengeschichte mitgestalten sollten.en Musikverlag. Für letzteren nahm er fleißig junge Bands unter Vertrag. Wie Extrabreit, Ina Deter, Abwärts oder wie The Stripes. Die schickte er zum Aufnehmen von Demobändern nach Hiltpoltstein, wo Jonas Porst, Sohn des einzigen westdeutschen kommunistischen Großunternehmers und der Mann hinter Ihre Kinder, ein Tonstudio betrieb. Mit den Aufnahmen suchte – und fand- er dann Plattenfirmen für seine Bands. Zupass kam ihm da sicherlich auch das Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Ruhruniversität Bochum. Heute ist Hartwig Masuch längst kein Sänger Christian Schneider mehr, wohl aber unter eigenem Namen der CEO von BMG Rights Management und damit eine der Schlüsselfiguren im weltweiten Musikgeschäft.

Jörg Hoppe, kurzzeitiger Chefredakteur des Musiker, war in den Siebzigern des vergangenen Jahrhunderts Hagens Antwort auf Malcolm McLaren, ein umtriebiger Konzertveranstalter, Journalist, Promoter, Manager und Popideologe, vor allem aber Manager von Extrabreit. Seine Wohngemeinschaft in der Wehringhausener Buscheystraße 56 war eine der kreativen Kernzellen der Hagener Szene. In ihr lebte nicht nur Kai Hawaii, auch die Gruppe Kein Mensch und der Künstler Wolfgang Luthe waren Teil der WG. In späteren Jahren produzierte Hoppe Deutschlands erste Heavy Metal TV-Show für den damals noch jungen und aufregenden Privatsender Tele 5, gründete zusammen mit Christoph Post und Marcus Rosenmüller die Film- und TV-Produktionsgesellschaft MME, war Gründungsgesellschafter von VIVA und erhielt nicht zuletzt 2000 den Grimme-Preis für die bahnbrechende TV-Dokumentation „Pop 2000“.

Jürgen Wigginghaus 1988

Jürgen Wigginghaus hatte schon ein Kapitelchen deutscher Rockgeschichte geschrieben, bevor es ihn als Setzer in die Berliner Straße verschlug. 1976 hatte er im Heideörtchen Scheeßel ein dreitägiges Rockfestival veranstaltet, bei dem jede Menge großer Namen aus Europa und den USA auftreten sollten. Sollten ist hier das passende Wort, denn einige von den amerikanischen Hauptattraktionen zogen es vor, zwar die Vorkasse einzustreichen, dann aber doch nicht in die Heide zu reisen. Was dazu führte, dass die niederländischen Rocker Golden Earring den längsten Gig ihrer Karriere spielten, aber trotzdem nicht verhindern konnten, dass wütende Fans am Ende die Bühne abfackelten und den Veranstalter am nächsten Baum aufknüpfen wollten. Der entkam dem Chaos knapp im Kofferraum eines Mercedes. „Rock in Scheeßel, Feuer in der Nacht“ war der Titel des Songs in dem die Deutschrocker Franz K das Geschehen später besingen sollten. Und „Scheeßel“ war der Schlachtruf den wütende Konzertbesucher Wochen später auf den Lippen hatten, als auf der Lorelei erneut eine Bühne in Brand gesetzt wurde, diesmal, weil Jefferson Airplane einfach nicht erschienen waren. Jürgen Wigginghaus sollte nicht lange der Setzer in der Berliner Straße bleiben, sondern sich bald selber zum Verleger wandeln. 1984 gründete er das Magazin Metal Hammer, das bereits 1988 das größte Heavy Metal Magazin der Welt war. Landessprachliche Ausgaben erschienen in Holland, Großbritannien, Spanien, Griechenland, Italien, Frankreich, Ungarn, Polen und am Ende sogar in Gorbatschows UdSSR. Anfang 1986 hatte es noch ein Konkurrenzmagazin gegeben, herausgegeben von der Münchener Marquardt-Gruppe (Musik Express/Sounds, Cosmopolitan, Harper’s Bazar), das den Titel Crash trug und dessen Chefredakteurin die bereits erwähnte Gundi Brühl war. Als Jürgen Wigginghaus 1986 den Metal Hammer an die Marquardt-Gruppe verkaufte, wurden Metal Hammer und Crash zu einem Magazin zusammengelegt. Heute ist Metal Hammer immer noch eine der wichtigsten Rockzeitschriften der Welt. Jürgen Wigginghaus allerdings hat sich wieder ins Sauerland zurückgezogen, wo er von Lüdenscheid aus ein kleines Regionalmagazin-Imperium aufbaut.

Der Bürogemeinschaft in der Berliner Straße war kein langes Leben beschieden. Doch ohne die, die damals für kurze Zeit in ihr arbeiteten, sähe Deutschlands Musikwelt heute anders aus.

 

Ach ja, fast vergessen: Der Autor, Edgar Klüsener, war von 1987 bis 1990 Chefredakteur des Metal Hammer und natürlich ebenfalls aus Hagen. Zusammen mit Peter Dell, dem späteren Bassisten von Faithful Breath und Risk, betrieb er von der Berliner Straße aus außerdem die Konzertagentur ALLES LIVE, die unter anderen Tourneen für Extrabreit buchte.

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