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Unerwünschter Rettungseinsatz in Schottland: Metal Fans mit Selbstmord-Kult verwechselt

Eigentlich sollte es ein Campingausflug werden, mit Bier, Gegrilltem und vor allem guter Musik. Eigentlich. Denn stattdessen erlebte eine kleine Gruppe von eingefleischten Metalfans einen Tag, von dem sie noch ihren Urenkeln erzählen können. Der Lehrer David Henderson, Universitäts-Dozent Panadiotis Filis und der Ingenieur Ross Anderson wollten sich zusammen mit ihren Kindern, der zehnjährigen Natalia Teo, Sohnemann Jude Henderson und dem siebenjährigen Andrew Vassiliadis sowie einem Hund namens Jazz auf einer ebenso winzigen wie historischen Insel im Loch Leven in einem geräumigen Tipi einrichten. Doch als sie sich in einem Boot auf den Weg zur Insel machten, erspähte sie ein zufällig am Ufer vorbeigehender Spaziergänger. Der Anblick der ganz in Schwarz gekleideten Gruppe in Ihrem Boot verleitete ihn, seine ganz eigenen Schlüsse zu ziehen: Schwarze Kleidung, lange Haare, Bierflaschen – die Kombination deutete für ihn ganz klar auf einen Selbstmordkult hin, der auf der Insel zur letzten Tat schreiten wollte. Der Mann verlor keine Zeit und alarmierte umgehend die Polizei, die Feuerwehr und die örtlichen Rettungsdienste und leitete so eine der größten Rettungsaktionen in der Geschichte der schottischen Region ein. Kurze Zeit nach dem Anruf zog bereits der erste Rettungshubschrauber über der Insel seine Kreise. Wenig später trafen dann mit heulenden Sirenen Polizeiautos, Ambulanzen und Feuerwehr-Mannschaften ein, während die ersten Boote aus den umliegenden Ortschaften sich auf den Weg zur Insel machten. Die Polizei nahm sich zunächst die beiden PKW der Gruppe vor, schlug die Seitenfenster ein und durchsuchte das Innere der Fahrzeuge nach Abschiedsbriefen. Sobald die Boote an der Insel anlandeten, machten sich die Besatzungen daran, die verdatterten Metalfans zu „retten“.

David Henderson, im Nebenberuf Sänger der Death Metal-Band Nyctopia beschrieb später einem BBC-Reporter das Geschehen aus seiner Sicht: „Wir sind einfach nur eine Gruppe von Freunden, die gerne in der freien Natur zelten, Bier trinken und Heavy Metal hören. Wir hatten unsere Autos gegenüber dem Lochleven Castle abgestellt und eine kurze Sicherheitsbelehrung bekommen, bevor wir dann zur Insel ruderten. Dort angekommen, informierte uns dann allerdings eine Mitarbeiterin von Historic Scotland, dass auf der Insel Camping leider verboten sei. Also ruderten wir weiter zur kleineren Insel und bauten unser Tipi dort auf. Wir saßen dann später ums Feuer und erzählten uns Geistergeschichten. Irgendwann fielen uns diese merkwürdigen Lichter auf, die sich der Insel von allen Seiten näherten. Der Hund wurde unruhig begann zu bellen. Es war wirklich surreal, wir hatten keine Ahnung, was los war. Es war wie eine Szene aus einem Horrorfilm oder aus den X-Akten, wo die Außerirdischen kommen und dich entführen.“

Die Gruppe entschloss sich zu handeln. „Wer oder was auch immer da auf uns zusteuerte, wir wussten nicht, ob die freundlich oder feindlich waren. Also löschten wir schnell das Feuer. Unsere größte Sorge galt der Sicherheit der Kinder.“

Es dauerte eine Weile, bis die Camper begriffen, dass sie nicht Opfer einer feindlichen Invasion, sondern einer großangelegten Rettungsaktion waren. Erst der Anblick von Rettungssanitätern in voller Montur überzeugte sie schließlich. Die Polizei, die den Verdacht hegte, dass hier möglicherweise auch eine Kindesentführung vorliegen könne, blieb nach wie vor misstrauisch und unterzog die Erwachsenen einer längeren Befragung. Am Ende kamen aber sowohl die Polizisten als auch die Rettungskräfte zu der Überzeugung, dass die Camper tatsächlich nur Camper waren und verließen die Insel wieder.

Apropos Nyctopia, hier einige Musikbeispiele:

 

 

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Brexit-Gegner formieren sich: Marsch auf das Londoner Parlament

Im Vereinigten Königreich formiert sich ein rasant wachsender Widerstand gegen die Regierung der Premierministerin Theresa May und gegen den angestrebten harten Ausstieg Großbritanniens aus der EU. Im März will Theresa May unter Berufung auf den Artikel 50 des Lissaboner Vertrages die Austrittsprozedur offiziell beginnen. Im Referendum hatten 52 % der Wähler dafür gestimmt, dass das Vereinigte Königreich aus der EU austreten solle, der sogenannte Brexit.Die Stimmen waren allerdings denkbar ungleich verteilt. Die keltischen Nationen Schottland und Nordirland hatten mit klarer Mehrheit gegen den Brexit gestimmt, was nun zu Komplikationen führt. Die schottische Premierministerin Nicola Sturgeon hat bereits angekündigt, dass jedes Verhandlungsresultat, dass nicht explizit schottische Interessen berücksichtigt, ein Unabhängigkeitsreferendum der Schotten nach sich ziehen wird. Ähnlich ist die Lage in Nordirland. Dort beunruhigt die Bevölkerung, dass im Falle eines harten Brexits ein neuer Grenzzaun zwischen Nordirland und der Republik Irland aufgerichtet werden könnte, der Familien, Orte und ganze Landstriche auseinanderreißen würde. Zudem würde die Wirtschaft Nordirlands, das sich gerade erst von einm langjährigen Bürgerkrieg erholt, schwer in Mitleidenschaft gezogen. Auch in Wales, das ursprünglich mit knapper Mehrheit für den Brexit gestimmt hat, macht sich Ernüchterung breit, seitdem klar wird, dass ein Austritt aus der EU den Verlust von lebenswichtigen EU-Subventionen bedeutet, der vor allem die walisische Landwirtschaft, und damit die ärmsten Regionen des Landes, hart treffen wird. Umfragen ergeben inzwischen eine Mehrheit für den Verbleib des Landes in der EU.
England hat zwar mit knapper Mehrheit für den Brexit gestimmt, allerdings zeigt sich hier eine schroffe Teilung zwischen ländlichen Regionen und den von der Deindustrialiserung der Thatcher-Jahre am stärksten betroffenen Kommunen in den Midlands und Nordenglands. Die Großstädte London, Liverpool, Manchester, Bristol und Sheffield sowie die walisischen Metropolen Cardiff und Swansea haben mit klarer Mehrheit für einen Verbleib in der EU gestimmt, während das umliegende Land für den Austritt stimmte.Im Vertrauen auf die Vorhersagen der Meinungsforscher, die durchweg eine Niederlage der Brexiter vorausgesagt, hatten vor allem jüngere EU-Befürworter den Weg zum Wahllokal erst gar nicht angetreten. Was sich prompt rächte. Zu den Ungereimtheiten des Referendums, die im Nachhinein für wachsende Verärgerung sorgen, gehört auch, dass die 3.5 Millionen EU-Bürger im Lande nicht abstimmen durften, wohl aber im UK ansässige Menschen aus Commonwealth-Ländern wie Australien, Neuseeland, Botswana oder Bangladesh. Ebenfalls nicht stimmberechtigt war eine Mehrheit der britischen Staatsbürger, die in anderen EU-Staaten leben und arbeiten. Rund 5 Millionen Menschen also, die mit ihren Familien direkt und unmittelbar betroffen sind, durften nicht einmal abstimmen.

Mittlerweile regt sich allerdings massiver Widerstand gegen den Brexit-Kurs der May-Regierung. Die Remainer sowie die 3,5 Millionen EU-Bürger im Lande machen mobil. Die Regierung wird mit Prozessen überzogen, die unter Umständen ihre geplante Ausstiegsstrategie komplett über den Haufen werfen könnte. Europafreundliche Abgeordnete schmieden parteiübergreifende Koalitionen um einem Totalausstieg des Landes entgegenzusteuern. Die Liberaldemokraten, die einzige erklärt europafreundliche Partei, die im gesamten Königreich vertreten ist und die bis vor kurzem noch beinahe ausgelöscht war, steigt wie Phoenix aus der Asche auf und gewinnt plötzlich auf spektakuläre Weise Nachwahlen selbst in ausgemachten Brexiter-Gegenden.

Die Brexit-Gegner organisieren sich zu zehntausenden in Online-Foren und Facbook-Gruppen wie ‚The 48 Percent‘, ‚We are the 3 Million‘ oder ‚The New Europeans‘ auf und loten neue Widerstandsformen aus. Inzwischen haben sich die diversen Gruppen effizient miteinander vernetzt, es ist eine Graswurzelbewegung entstanden, die auf britischer Seite vor allem von den jüngeren Generationen getragen wird, die sich um ihre Zukunft betrogen sehen und nicht bereit sind, ihre europäische Citizenship kampflos aufzugeben. Auf lokaler Ebene zeigen die Brexit-Gegner bereits Stärke. Wie sehr die Bewegung gewachsen ist, wird sich allerdings erst am 25. März zeigen, in dem Monat, in dem die Regierung offiziell den Austritt des UK aus der EU ankündigen will.

Zum Marsch auf das Parlament rufen zu diesem Anlass alle Organisationen gemeinsam auf. Der Aufruf wird von Hochschulen, Gewerkschaften, Bürgerorganisationen, Parlamentarierern und anderen Gruppierungen unterstützt. Mit dem Marsch wollen die 48 % ein Zeichen setzen, dass mit ihnen sehr wohl noch zu rechnen ist.

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