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Es gab schon bessere Zeiten….

Ein kleines Tagebuch, geführt von Jonathan Gold

Wenn Chinesen einem Pest, Tod und Teufel an den Hals wünschen, dann sagen sie manchmal freundlich lächelnd: „Mögest du in interessanten Zeiten leben.“ Wir leben in interessanten Zeiten. In höchst interessanten Zeiten sogar, in denen sich die Welt mit rasender Geschwindigkeit verändert. Zum Guten, zum Bösen? Schwer zu beurteilen für diejenigen, die sich an den Türgriffen eines Schnellzuges festklammern, der außer Kontrolle geraten scheint und mit Höchstgeschwindigkeit auf einen Tunnel zurast, dessen Eingang einfach nur schwarz ist. Ob an seinem Ende ein Licht scheint, weiß wahrscheinlich selbst der Zugführer nicht. Und der hat immerhin die beste Sicht. Grund genug, endlich ein Tagebuch zu starten, das stichwortartig die kleinen und großen Begebenheiten eines immer verwirrenderen Alltags dokumentiert. Vielleicht zeichnet sich irgendwann ja doch eine klare Linie in all dem Chaos ab, das landläufig Gegenwart genannt wird.

Freitag, 13. April 2018

Der Golfstrom wird immer schwächer, melden die Tagesmedien. Schon jetzt ist er so schwach wie seit 1.600 Jahren nicht mehr. Schuld ist natürlich der Klimawandel. Abschmelzendes arktisches und grönländisches Eis verändern den Salzgehalt des Meerwassers, das wiederum beeinflusst den Wärmeaustausch zwischen Tropen und Nordhalbkugel, für den der Golfstrom als Vehikel dient. Die voraussehbaren Folgen für Nordeuropa, Großbritannien eingeschlossen: Es wird kälter, vor allem in den Wintern. Und nasser, vor allem in den Sommern. Die nicht genau vorhersehbaren Folgen? Die lassen wir lieber die nächsten Generationen ausbaden.

In Syrien ist die Hölle los. Buchstäblich. Kurden, Türken, Djihadis aller Couleur, ISIS (ja, den gibt‘s immer noch), Iran, Saudi Arabien, Israel, Russland, die USA, Deutschland, Frankreich, Assad und seine Alawiten-Clique, andere Rebellen und neuerdings auch die AfD tragen dort irgendwelche Konflikte aus, vertreten eigene Interesse, bomben und schießen um Macht, Einfluss und Erdöl. Mittendrin Zivilisten, die erschossen, ausgebombt, um Haus und Hof gebracht und vergast oder mit Chemiewaffen verätzt werden. Höllisch, wie gesagt. Aber offensichtlich noch nicht höllisch genug, denn jetzt gehen dort aller Voraussicht nach auch noch Trump und Putin direkt aufeinander los. Nur zur Erinnerung: Beide haben genug Atomwaffen, um jede ernsthafte Auseinandersetzung zur letzten des Planeten werden zu lassen. Doch wieso sind eigentlich ausgerechnet Syrien, der Mittlere Osten und Israel Dauer-Brennpunkte? Wer wirklich an historischen Zusammenhängen interessiert ist, sollte in einer Suchmaschine des Vertrauens mal nach Begriffen wie „Sykes-Picot Agreement“, „Osmanisches Reich“, „Vertrag von Lausanne“, „Balfour Deklaration“ oder „Holocaust“ fragen. Nur so als Anregung….

Nachtrag: Ganze vier Stunden nachdem ich diesen Beitrag geschrieben habe, ging das Bombardement auch schon los.

Apropos Trump. Der unmöglichste US-Präsident aller Zeiten wütet mal wieder auf Twitter. Diesmal geht‘s gegen den früheren FBI-Direktor James Comey. Als Trump noch der Kopf der amerikanischen Reality-TV Gameshow „The Apprentice“ war, konnte er nach Abschluss jeder Episode einen Kandidaten feuern. Das für Trump Erfreuliche daran war, dass die Gefeuerten keine Widerworte gaben oder geben durften, auch nach ihrem Rauswurf waren sie vertraglich zum Schweigen verpflichtet. Dieses Schweigen hatte er von James Comey ebenfalls erwartet, als er ihn vor rund einem Jahr spektakulär feuerte. Doch Comey denkt gar nicht daran, ihm den Gefallen zu tun. Stattdessen hat er ein Buch veröffentlicht, das den Präsidenten alles andere als schmeichelhaft porträtiert. Comey vergleicht Trump mit einem aufgeblasenen Mafiaboss, dem die Lüge zur zweiten Natur geworden ist. Kein Wunder, dass der Präsident schäumt. Irgendwie muss er sich abreagieren. Da kommt Syrien gerade recht.

Zurück nach Deutschland. Da feiert die Musikbranche mal wieder Verkaufszahlen und bemüht sich nach Kräften, alle Kontroversen, Widersprüchlichkeiten und politischen Ungeheuerlichkeiten möglichst weit unter den roten Teppich zu kehren, und dann sowas. Ausgerechnet Altpunk Campino hält die wohl wichtigste Rede des Jahres. Nicht weiterlesen, einfach zuhören!

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