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Iced Idiot

Jon Schaffer ist seit vielen Jahren eine bekannte Größe in der internationalen Metalszene. Aus seinen teils abstrusen politischen Anschauungen hat der Gitarrist und Texter von Iced Earth nie einen Hehl gemacht. Dass er immer weiter in rechte Radikalität abdriftete, faschistischen und nazistischen Verschwörungstheorien ebenso wie weißem Herrenmenschenwahn verfiel, fiel daher lange Zeit gar nicht so sehr auf. Auch als er sich mehr und mehr zum Trumpfan wandelte und all dessen Lügen ebenso b

Iced Idiot

ereitwillig schluckte wie die Weltverschwörungstheorien von QAnon und ähnlichen Konsorten – diese im Übrigen den ebenso hanebüchen erfundenen ‚Protokollen der Weisen von Zion‘ nachempfunden, die den Nazis als Begründung für die kaltblütige Abschlachtung von Millionen von Menschen dienten – wurde ihm noch als künstlerische Exzentrität nachgesehen. Man trennte halt zwischen Kunst und Künstler. Musik gut, Schaffer… naja. Aber dass er nun vor laufenden Kameras den gewalttätigen Sturm auf das amerikanische Capitol rechtfertigte und seine Bereitwilligkeit verkündete, Blut zu vergießen, macht es unmöglich, den Mann weiter als Exzentriker zu sehen. Denn er stürmte tatsächlich das Capitol und machte sich damit nicht nur des Rechtsbruchs und des Hochverrats schuldig, sondern auch der Mitbeteiligung am Mord an einem Polizeibeamten und am Tod von vier weiteren Personen. Folgerichtig wird sich Schaffer vor Gericht unter anderem auch wegen der Beteiligung am Mord rechtfertigen müssen.

Der Musiker hat im Übrigen nie verhehlt, dass seine Familie tief in der rechtsradikalen John Birch-Society verwurzelt war und dass die Gedankenwelt der Society auch ihn geprägt hat. Seine Band, Fans und befreundete Musiker wie Hansi Kürsch müssen nun Stellung beziehen. Und Plattenfirmen sollten sich gut überlegen, wie sie in Zukunft – wenn überhaupt – seine Musik vermarkten wollen.

 

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Why you can’t win an argument with a populist

In “The 7 Steps from Democracy to Dictatorship” Ece Temelkuran exemplifies the stifling efficiency of populist reasoning with a fictitious dialogue between Greek philosopher Aristotle and a populist. The debate starts with Socrates’ famous syllogism ‘All humans are mortal. Socrates is human. Therefore, Socrates is mortal.”

The dialogue demonstrates the simple but highly successful and extremely hard to counter strategy of populist (un)reasoning. The textbook may have originally been written by Joseph Goebbels, but the likes of Boris Johnson, Nigel Farage, Steve Bannon, Victor Orbán, Erdogan, Donald Trump, Gauweiler and their fellow populist travellers have since improved upon it, making brutally effective use of social media. Some core elements of populist arguments demonstrated in Temelkuran’s dialogue below include:

  • Claiming ownership of terminology (concepts, words, meaning)
  • Representing oneself as the REAL people and thus as in opposition to the corrupt elites and the establishment.
  • Painting the opposite as a member of these elites (even if they aren’t).
  • Ignoring the subject of the conversation and instead discussing something entirely different and irrelevant.
  • Attacking the person to discredit their arguments.
  • Demanding proof for scientific facts which are proven, thus implying that any existing proof is somewhat tainted.
  • Disregarding everything that does not conform to their own view of the world as fake and lies,  proposing ‘alternative’ facts.

Aristotle: All humans are mortal.

Populist: That is a totalitarian statement.

Aristotle: Do you not think that all humans are mortal?

Populist: Are you interrogating me? Just because we are not citizens like you, but people, we are ignorant, is that it? Maybe we are, but we know about real life.

Aristotle: That is irrelevant.

Populist: Of course it’s irrelevant to you. For years, you and your kind have ruled this place, saying the people are irrelevant.

Aristotle: Please answer my question.

Populist: The real people of this country think otherwise. Our response is something that cannot be found on any elite papyrus.

Aristotle: (Silence)

Populist: Prove it. Prove to me that all humans are mortal.

Aristotle: (Nervous Smile)

Populist: See! You can’t prove it. (Confident grin, a signature trait that will be exercised constantly to annoy Aristotle). That’s all right. What we understand from democracy is that all ideas can be represented in the public space, and they are respected equally. The gods say…

Aristotle: This is not an idea, it’s a fact. And we are talking about mortal humans.

Populist: If it were left up to you, you’d kill everybody to prove that all humans are mortal, just like your predecessors did…..

Temelkuran lets the argument continue further, the eventual outcome should be clear by now, though. Aristotle finds himself utterly defeated and highly confused by the apparent irrationality of his opponent who refuses to play by the accepted rules of rational and informed debate. As yet, all of us who still believe in the validity of research, of established facts, of objectivity and rationality find ourselves in the very same place as Aristotle when confronted with populist rhetoric, internet trolls, tweeting presidents or flat-earthers.

Ece Temelkuran’s analysis of the global rise of populism, populist communication strategies and their successes in constructing alternative realities is a masterpiece. Rarely was a book as urgent and necessary as ‘The 7 Steps from Democracy to Dictatorship.’

Edgar Klüsener

Temelkuran, E. (2019). How to lose a country: the seven steps from democracy to dictatorship. London: 4th Estate.

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Es gab schon bessere Zeiten

Jonathan Golds Tagebuch, 11. Mai 2018

Jetzt also Iran. Der größte Trump-Tropf aller Zeiten knüpft sich die kleine Mittelmacht Iran vor, bricht existierende Verträge und droht dem Land offen mit Krieg. So ganz nebenbei lässt er Europa ziemlich alt und verloren aussehen. Deutschland, Frankreich und Großbritannien werden zu Randfiguren degradiert, die auf der Weltbühne gefälligst das Maul zu halten haben. Der neuernannte US-Botschafter in Berlin steht für den Umgang mit den europäischen Zwergen in der Ära Trump: Kasernenhofton ist die Musik der Stunde. Wenn Deutschland, Frankreich oder sonstwer in Europa in Zukunft überhaupt noch eine Chance auf ‚Mitreden‘ haben wollen, so viel ist nun klar geworden, dann geht das nur noch in einem EU-Verbund, der wesentlich geschlossener und entschiedener als bisher agiert und in dem die Mitgliedsstaaten die  nationalen Eitelkeiten an der Garderobe abgeben. Dazu gehört auch, dass nicht mehr grundsätzlich alle Schuld für nationales Politker-Versagen der EU-Bürokratie in die Schuhe geschoben wird. Doch zurück zu Trump und Iran. Wenn der POTUS überhaupt noch trumpfen will, dann braucht er den Krieg, und zwar dringend. Herr Sonderermittler Müller zieht die Schlinge um seinen Hals nämlich immer weiter zu, und Frau Stormy bringt ihn noch zusätzlich in die Bredouille. Je klarer wird, dass die Verbindungen zwischen Moskau und Trump wesentlich intimer waren als er jemals zugeben wird, desto schwieriger wird der Kampf ums politische Überleben. Nur ein Krieg kann jetzt noch den faltigen Hals retten, am Besten einer, der das Volk dazu bringt, sich hinter den POTUS zu scharen und alle anderen Stimmen zumindest vorübergehend zum Schweigen verdonnert.

Donald Trump (photo: Gage Skidmore)

Mit Iran haben die USA sowieso noch die eine oder andere Rechnung offen. Obwohl, eigentlich wird eher umgekehrt ein Schuh draus. Iran nämlich hat den Westen per se und die USA im Besonderen bisher hauptsächlich als Übeltäter erlebt. Beispiele gefällig? Vergessen wir mal die Tabak-Konzessionen, die den deutsch-britischen Baron Reuter stinkreich und den Aufstieg des Reuterschen Nachrichtenbüros zum globalen Marktführer überhaupt erst möglich gemacht haben. Vergessen wir auch , dass die Briten die gesamte erste Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts ein Monopol auf persisches Erdöl hatten und nicht im Traum daran dachten, das Land und seine Bevölkerung in irgendwelchem nennenswerten Umfang daran zu beteiligen. Vergessen wir ebenfalls, dass Briten und Russen das Land im Zweiten Weltkrieg genau zur Hälfte zwischen sich aufteilten, obwohl Iran überhaupt kein Kriegsteilnehmer war. Was wir aber nicht vergessen sollten, und hier nehmen die Konflikte der Gegenwart ihren eigentlichen Anfang, dass die USA (und mit ihnen die Briten) 1953 in einem von der CIA initiierten Putsch die demokratisch gewählte Regierung Irans stürzten und das Terrorregime des Schahs installierten. Der Schah regierte danach mit grausamer  Härte, gestützt auf seine allgegenwärtige und wegen ihrer brutalen Foltermethoden gefürchtete Geheimpolizei SAVAK. Aufgebaut und trainiert wurde SAVAK übrigens auch von Spezialisten des israelischen Mossad (Kaveh Moraj, S. 75-76). Letzteres erklärt zu einem kleinen Teil die tiefe Antipathie der Islamischen Republik Iran gegen den einstigen engen Verbündeten Israel.

Kein Wunder, dass die USA und der Westen im Iran nicht gerade als Freunde angesehen wurden. Das letzte bisschen Vertrauen in der iranischen Bevölkerung verloren die USA, als sie nach der islamischen Revolution von 1978/79 den irakischen Diktator Saddam Hussein darin bestärkten, einen Angriffskrieg gegen Iran zu führen, der als einer der blutigsten und langwierigsten Konflikte seit dem Zweiten Weltkrieg in die Geschichtsbücher eingehen sollte. Das Ziel war klar: Mit Hilfe Saddams sollte die Revolution rückgängig und Iran in den ‚Schoß des Westens‘ zurückgebracht werden. Zugleich wollten sich die USA so für die völkerrechtswidrige Geiselnahme amerikanischen Botschaftspersonal durch revolutionäre Studenten in Teheran rächen. Der Krieg kostete weit über 1 Million Menschen, darunter 300.000 Iraner, das Leben, gewinnen konnte Irak ihn trotz massiver Unterstützung durch die USA  nicht.

Seitdem herrscht offene Feindschaft zwischen den beiden Ländern, die auf iranischer Seite von abgrundtiefem Misstrauen gegen die USA geprägt ist. Dieses Misstrauen ist es auch, dass die konservativen Mullahs trotz ihrer repressiv-autoritären Herrschaft an der Macht hält. Trumps jüngste Attacke spielt ihnen daher sehr in die Hände und hilft ihnen, jegliche progressive Opposition im Lande im Zaum zu halten.

Was uns zum Atomkonflikt bringt. Iran hat 1970 den Nuclear Non-Proliferation Treaty unterzeichnet. Mit der Unterzeichnung verpflichtete sich das Land, auf die Entwicklung eigener Atomwaffen zu verzichten. Der Vertrag erlaubt aber auch ausdrücklich den Aufbau einer eigenen Atomindustrie und die Anreicherung von Plutonium zu zivilen Zwecken (Energieerzeugung). Die Islamische Republik hat als Rechtsnachfolger des Kaiserreichs die Verpflichtungen aus dem Vertrag übernommen und sich nach Anschauung der Internationalen Atomenergie-Kommission auch daran gehalten.

Das stört und kümmert allerdings weder Trump noch seine engsten Verbündeten in der Region, Saudi Arabien und Israel. Stattdessen wird Iran zum Pariah-Staat deklariert, der Al- Qaida und ISIS unterstützt. Letzeres eine der aberwitzigsten Behauptungen überhaupt. Beide Terrororganisation wurden und (werden noch) von Saudi Arabien, dem Erzfeind Irans in der Region, unterstützt. Beide sind Sunni-Organisationen, die die Schiiten, und damit auch den schiitischen Iran, als Todfeinde betrachten und sie gnadenlos bekämpfen. Im Irak, auch das sollte Trump bekannt sein, hat der Iran die USA sogar massiv bei der Bekämpfung von Al-Qaida unterstützt.

Aber darum geht’s auch gar nicht. Sowenig, wie es um das iranische Atomprogramm geht. Es geht um alte Rechnungen, die zwischen Iran und den USA offen sind. Es geht um die Vorherrschaft in der Golfregion, in der ein starkes Iran den USA Konkurrenz machen könnte. Und es geht, am Ende, um die Wiederherstellung der globalen amerikanischen Monopol-Machtstellung. Und dazu gehört auch die Ausschaltung Europas als potenzieller Machtfaktor und die direkte Konfrontation mit China und Russland. Klar ist aber vor allem: Trump spielt mit dem Feuer. Am Ende könnte es uns alle verbrennen.

Titelphoto: Google Maps

 

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Es gab schon bessere Zeiten….

Ein kleines Tagebuch, geführt von Jonathan Gold

Wenn Chinesen einem Pest, Tod und Teufel an den Hals wünschen, dann sagen sie manchmal freundlich lächelnd: „Mögest du in interessanten Zeiten leben.“ Wir leben in interessanten Zeiten. In höchst interessanten Zeiten sogar, in denen sich die Welt mit rasender Geschwindigkeit verändert. Zum Guten, zum Bösen? Schwer zu beurteilen für diejenigen, die sich an den Türgriffen eines Schnellzuges festklammern, der außer Kontrolle geraten scheint und mit Höchstgeschwindigkeit auf einen Tunnel zurast, dessen Eingang einfach nur schwarz ist. Ob an seinem Ende ein Licht scheint, weiß wahrscheinlich selbst der Zugführer nicht. Und der hat immerhin die beste Sicht. Grund genug, endlich ein Tagebuch zu starten, das stichwortartig die kleinen und großen Begebenheiten eines immer verwirrenderen Alltags dokumentiert. Vielleicht zeichnet sich irgendwann ja doch eine klare Linie in all dem Chaos ab, das landläufig Gegenwart genannt wird.

Freitag, 13. April 2018

Der Golfstrom wird immer schwächer, melden die Tagesmedien. Schon jetzt ist er so schwach wie seit 1.600 Jahren nicht mehr. Schuld ist natürlich der Klimawandel. Abschmelzendes arktisches und grönländisches Eis verändern den Salzgehalt des Meerwassers, das wiederum beeinflusst den Wärmeaustausch zwischen Tropen und Nordhalbkugel, für den der Golfstrom als Vehikel dient. Die voraussehbaren Folgen für Nordeuropa, Großbritannien eingeschlossen: Es wird kälter, vor allem in den Wintern. Und nasser, vor allem in den Sommern. Die nicht genau vorhersehbaren Folgen? Die lassen wir lieber die nächsten Generationen ausbaden.

In Syrien ist die Hölle los. Buchstäblich. Kurden, Türken, Djihadis aller Couleur, ISIS (ja, den gibt‘s immer noch), Iran, Saudi Arabien, Israel, Russland, die USA, Deutschland, Frankreich, Assad und seine Alawiten-Clique, andere Rebellen und neuerdings auch die AfD tragen dort irgendwelche Konflikte aus, vertreten eigene Interesse, bomben und schießen um Macht, Einfluss und Erdöl. Mittendrin Zivilisten, die erschossen, ausgebombt, um Haus und Hof gebracht und vergast oder mit Chemiewaffen verätzt werden. Höllisch, wie gesagt. Aber offensichtlich noch nicht höllisch genug, denn jetzt gehen dort aller Voraussicht nach auch noch Trump und Putin direkt aufeinander los. Nur zur Erinnerung: Beide haben genug Atomwaffen, um jede ernsthafte Auseinandersetzung zur letzten des Planeten werden zu lassen. Doch wieso sind eigentlich ausgerechnet Syrien, der Mittlere Osten und Israel Dauer-Brennpunkte? Wer wirklich an historischen Zusammenhängen interessiert ist, sollte in einer Suchmaschine des Vertrauens mal nach Begriffen wie „Sykes-Picot Agreement“, „Osmanisches Reich“, „Vertrag von Lausanne“, „Balfour Deklaration“ oder „Holocaust“ fragen. Nur so als Anregung….

Nachtrag: Ganze vier Stunden nachdem ich diesen Beitrag geschrieben habe, ging das Bombardement auch schon los.

Apropos Trump. Der unmöglichste US-Präsident aller Zeiten wütet mal wieder auf Twitter. Diesmal geht‘s gegen den früheren FBI-Direktor James Comey. Als Trump noch der Kopf der amerikanischen Reality-TV Gameshow „The Apprentice“ war, konnte er nach Abschluss jeder Episode einen Kandidaten feuern. Das für Trump Erfreuliche daran war, dass die Gefeuerten keine Widerworte gaben oder geben durften, auch nach ihrem Rauswurf waren sie vertraglich zum Schweigen verpflichtet. Dieses Schweigen hatte er von James Comey ebenfalls erwartet, als er ihn vor rund einem Jahr spektakulär feuerte. Doch Comey denkt gar nicht daran, ihm den Gefallen zu tun. Stattdessen hat er ein Buch veröffentlicht, das den Präsidenten alles andere als schmeichelhaft porträtiert. Comey vergleicht Trump mit einem aufgeblasenen Mafiaboss, dem die Lüge zur zweiten Natur geworden ist. Kein Wunder, dass der Präsident schäumt. Irgendwie muss er sich abreagieren. Da kommt Syrien gerade recht.

Zurück nach Deutschland. Da feiert die Musikbranche mal wieder Verkaufszahlen und bemüht sich nach Kräften, alle Kontroversen, Widersprüchlichkeiten und politischen Ungeheuerlichkeiten möglichst weit unter den roten Teppich zu kehren, und dann sowas. Ausgerechnet Altpunk Campino hält die wohl wichtigste Rede des Jahres. Nicht weiterlesen, einfach zuhören!

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